Eigenwillige historische Erzählung mit etwas Fantasy

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la tina Avatar

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Ein aussergewöhnliches Buch welches sich ganz anders gestaltete, als ich zuvor erwartete. Ging ich zunächst von einem Fantasybuch mit historischem Setting aus würd ich das Buch im Nachhinein als historischen Roman mit einigen Fantasyelementen beschreiben.
Im Mittelpunkt steht zunächst Londons Blackfriars-Theater mit seinem Jungen-Theater. Publikumsmagnet ist ein jugendlicher Akteur, der sich Nonesuch nennt und bei seinen Streifzügen auf den Dächern Londons dem Botenjungen Shay aus der Patsche hilft. Shay, in Wahrheit ein Mädchen, gehört einer Glaubensgemeinschaft vor den Toren der Stadt an, die Vögel als gottgleiche Geschöpfe betrachtet und an eine gewisse Form der Wahrsagerei glaubt. Fasziniert von der Welt des Theaters rutscht Shay immer mehr in diese aussergewöhnliche Welt hinein und sitzt plötzlich der Königin als wahrsagendes Vögelchen gegenüber.
Mat Osmans Stil ist bildhaft, teilweise provozierend direkt, während er an anderer Stelle nur oberflächlich die Handlung streift. Wäre der Roman ein Theaterstück, sähe man mal ein detailliertes Bühnenbild mit entsprechenden Akteuren, mal eine fast schon surreale Inszenierung, mal ein reduziertes Bühnenbild mit provokanter Darstellung.
Mit Interesse las ich die Zustände im Blackfriars Theater, welche unter heutigen Bedingungen mehr als schockierend waren. Umso unverständlicher empfand ich es, dass Shay, die mit Stolz ihre Freiheit über den Dächern Londons genießt, sich freiwillig wie ein Vogel in den Käfig des Theaters begibt, ihr Leben und ihre Freiheit einfach aufgibt für, ja, für was? Generell war dies ein gewichtiger Punkt, weswegen ich mit Shay als Protagonistin nicht warm wurde. Als Tochters eines Falkners und mit einer Zukunft als eine Art Seherin ihrer Gemeinde vor sich, scheint sie nicht fähig, die Konsequenzen ihres Handelns für sich und ihre Mitmenschen absehen zu können. Mit scheinbar romantisch verklärter Sicht auf das Leben der Theaterjungen setzt sie alles aufs Spiel und ist in ihrer Naivität entsetzt, als sie wiederholt mit der harten Realität konfrontiert wird.
Was mir ebenso fehlte war ein Spannungsbogen. Mal geht der Autor überaus explizit ins Detail, dann wischt er nur so über die Handlung rüber, um dann wieder zäh auf der Stelle zu treten oder seine Leserschaft durchs Geschehen zu hetzen. Das ist schade, denn die historischen Details sind meist gut platziert, gehen nur leider in ermüdenden Szenen samt anstrengendem Stilmix unter.