Ein desolates Goldglöckchen

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la calavera catrina Avatar

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Hannah hält sich für „eine wandelnde Witzfigur, aber auf keinen Fall [für] eine reife Erwachsene, die für solch eine Verantwortung gewappnet ist, denn die siebenunddreißigjährige kümmert sich um ihren dementen Vater, seit sie aus London zurückgekehrt ist. Von einer „barmherzigen Samaritern“ ist sie jedoch meilenweit entfernt. Sie hat einige Probleme, trinkt viel, verliert die Kontrolle und nimmt ihre Medikamente nicht, ist dabei aber überraschend zielstrebig. Als ihr Vater in einem Anflug von Wahn verdächtige Äußerungen macht, vermutet Hannah, er hat ihre Mutter getötet, die vor vielen Jahren ermordet wurde. Deswegen nimmt sie Kontakt zu ihrem Promi-Bruder und dem ehemaligen Detective auf. Um die Wahrheit herauszufinden, schlüpft sie immer öfter in die Rolle ihre Mutter; zieht ihre Kleidung an, verhält sich wie sie und weckt schlafende Hunde. Es ist eine private Ermittlung in der Gegenwart, mit ständigem Blick in den Rückspiegel. Dabei geht es um Manipulation, Lügen, Schuldgefühle und die familiäre Aufarbeitung der Vergangenheit.

Der Schreibstil ist bissig, obszön (im Rahmen), amüsant, auch wenn das alles im Verlauf des Buches immer mehr abnimmt und enthält griffige Satzbilder, wie den hier: „Aber die Blubberblase ihres geistigen Niveaus hat sich schon gesetzt.“ Die Ich-bezogene Sichtweise von Hannah legt Selbsthass und Misstrauen offen, was in Anbetracht ihrer Vergangenheit authentisch wirkt. Es fehlt an spannenden Elementen, dafür gibt es zahlreiche Wendungen der Verdachtsmomente. Für mich war die Auflösung leider keine Überraschung. Trotzdem wurde ich gut unterhalten, deswegen gibt es 3,5 Sterne.