Wendungsreicher Krimi mit Ecken und Kanten und unbequemer Hauptfigur

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gluexklaus Avatar

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„Ich beuge mich vor und flüstere die Frage, von der ich seit dreiundzwanzig Jahren nicht zugelassen habe, dass ich sie ausspreche. „Dad, hast du Mum ermordet?““

Hannahs Mutter Jennifer starb vor über zwanzig Jahren keines natürlichen Todes. Wer dafür verantwortlich ist, wurde jedoch nie herausgefunden. Nun muss sich Hannah um ihren kranken Vater kümmern. Dieser zeigt sich immer öfter verwirrt und desorientiert. Er hält Hannah für seine verstorbene Frau. Aus seinen mysteriösen Äußerungen schließt Hannah, dass ihr Vater irgendetwas mit dem Tod seiner Frau zu tun haben muss. Hat er sie womöglich umgebracht? Hannah wagt ein riskantes Spiel und schlüpft immer tiefer in die Rolle ihrer Mutter. Ob sie durch diese Lüge der Wahrheit ein bisschen näher kommt?

Die Geschichte wird überwiegend chronologisch in der ersten Person Präsens erzählt, teilweise erinnert sich Hannah in Rückblenden an Momente aus ihrer Vergangenheit. Der Schreibstil liest sich mühelos und klar verständlich.

Hannah ist sich selbst die größte Feindin. Sie hält wenig von sich, beschreibt beispielsweise immer wieder ungeschönt ihre körperlichen Defizite. Dass sie selbst so eine niedere Meinung von sich hat, überträgt sich natürlich auch auf die Leserschaft. Zudem lebt die Protagonistin offensichtlich eine Lüge. Kann man Hannah daher überhaupt trauen? Dass Hannah eine derart unbequeme Persönlichkeit ist, hat natürlich seinen Grund. Es wird nachvollziehbar dargestellt, wie Hannah zu der Frau geworden ist, die sie ist. Und zunehmend scheint Hannah sich selbst etwas mehr zu akzeptieren, zeigt sich am Ende sich selbst gegenüber etwas versöhnlicher, was an mir als Leserin auch nicht spurlos vorüberging. Da man die anderen Figuren nur durch Hannahs Blickwinkel kennenlernt und Hannah oftmals Vorbehalte hat, beispielsweise ihren Bruder Reece wegen seines neuen Lebens als Schauspieler verachtet, nahm ich ein ähnliche Einstellung ein und stufte die meisten Charaktere als irgendwie verdächtig ein. Das gestaltet die Handlung und die Figurenkonstellation recht interessant.

Alles dreht sich um die Frage nach den wahren Umständen des Todes von Hannahs Mutter. Im Verlauf kommen immer mehr spannende Details ans Licht, die im Zusammenhang mit dem Tod zu stehen scheinen. Geheimnisse werden enthüllt, „Leichen im Keller“ entdeckt. Da Hannah selbst teilweise die Kontrolle verliert, sich mitunter überdreht und irrational verhält, wild im Dunkeln herumstochert und viel spekuliert, entwickelt sich die Handlung auch etwas unstet und nicht hundertprozentig geradlinig. Immer wieder kommt es zu überraschenden Wendungen.
Gerade gegen Ende war es mir etwas zu viel Hin und Her, hier hätte die Handlung durchaus etwas stringenter verlaufen können. Dennoch hat mich der Krimi trotz der herausfordernden, anstrengenden Protagonistin insgesamt recht gut unterhalten. Gerade durch die Ecken und Kanten der Hauptfigur hebt sich der Roman eben auch von anderen Krimis ab, präsentiert sich weniger glatt, konventionell und 08/15. Für mich zwar kein ausgesprochenes Highlight, aber durchaus ein etwas anderes, interessantes und spannendes Leseerlebnis.