Ein Wunder, das hält was es verspricht

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r.e.r. Avatar

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In Treviso plätschert das Leben ruhig dahin. Der kleine Ort mit seinen 1377 freundlichen Einwohnern hat so gar nichts spektakuläres. Keine touristische Attraktion und auch sonst nichts was einen Besuch lohnen würde. Selbst die örtliche Enoteka sollte man meiden, wenn einem die eigenen Magenwände lieb sind. Dem Friseur Luigi sterben die Kunden weg und auch die Kirche von Don Antonio hat ihre besten Jahre hinter sich. Nur ein Wunder kann Verfall und finanziellen Ruin der Kirche und des Dorfes aufhalten, dessen ist sich der alte Pfarrer sicher. Und gräbt in der Krypta die blinde Madonna seiner Kirche wieder aus, die einst den Altar schmückte. Mit der Schützenhilfe des Kunstschnitzers Salvatore Tarlo weint sie bald blutige Tränen. Und Treviso erwacht aus seinem Dornröschenschlaf.

 

Das “Wunder von Treviso” liest sich so, wie es Buchcover und Klappentext versprechen. Bunt, humorvoll, leicht und in der Sprache wohltuend unmodern. “Man führte ein ruhiges Leben in Treviso, geprägt von Arbeit und Langeweile und den Pausen zwischen Arbeit und Langeweile, die man mit Essen füllte”.

 

Ganz und gar nicht langweilig ist die Beschreibung der Dorfbewohner. Susanne Falk zeichnet einfache aber unverwechselbare Charaktere. Massimo, den Besitzer der Trattoria und des kleinen Eissalons. Jeden Tag gibt es Spagetti mit Tomatensauce. Und wenn sich einer der Gäste über die Eintönigkeit beschwert, fragt Massimo in echtem Unglauben: “Was hast du gegen Spagetti al pomodoro?” Vito führt einen kleinen Supermarkt, in dem es alles zu kaufen gibt, was man jemals brauchen könnte. Gratis dazu gibt es den neusten Klatsch und alle wichtigen Informationen. Mario der Bürgermeister ist immer am Puls der Zeit, beispielsweise mit der Einrichtung einer Internetseite. Das Foto Shooting das er zu diesem Zweck mit seinem Neffen Giorgio veranstaltet ist eine der vergnüglichsten Szenen des ganzen Buches. “Auf der Homepage von Treviso, die in der darauffolgenden Woche online war, fanden sich auffällig viele Fotos eines älteren Herrn im gutsitzenden Anzug, der in betont dynamischer Körperhaltung an einer Bedürfnisanstalt lehnte.”

 

Schließlich Don Antonio, der brummige Geistliche, der in der Sakristei Ratschläge von seinem Vorgänger, dem verstorbenen Don Ignatio bekommt, die er dann doch nicht befolgt. Einzig die Schwester Don Antonios, die resolute Maria, die ihrem Bruder den Haushalt führt bewahrt in allen Lebenslagen einen ruhigen Kopf.

 

Wie das Leben dieser einfachen Menschen sich auf einen Schlag ändert, als Ströme von gläubigen Pilgertouristen aus aller Welt das Dorf entern, ist köstlich zu Lesen. Wenn Vito den Umsatz in seinem Supermarkt durch musikalische Unterstützung steigert, indem er in einer Endlosschleife die Arie “Una furtiva lacrima” von Donizetti abspielt um seine Kunden zu Tränen zu rühren und zum Kauf einer günstigen Holzreplik der weinenden Madonna anzuregen. “Vito spielte immer die gleiche Aufnahme, und so sehr er auch von der verkaufsfördernden Wirkung der Arie überzeugt war, so sehr ging im Donizetti mittlerweile selbst auf die Nerven“.

 

Da es sich bei einem Wunder allerdings um ein Ereignis handelt bei dem göttliche Kräfte am Werk sein müssen, kündigt der Vatikan den Besuch einer Untersuchungskommission an, um das Mysterium zu untersuchen. Was Don Antonio zu hektischem, für den Leser aber sehr kurzweiligen, Handlungsbedarf zwingt. “Wenn du eine Katastrophe verhindern willst, dann stifte Verwirrung”. Und so hält der Ortsgeistliche kurzerhand einen Gottesdienst auf Portugiesisch um Monsignore Renzi von der Madonna abzulenken. Da er des Portugiesischen nicht mächtig ist und lediglich an jedes Wort möglichst viele Zischlaute hängt, verunsichert er nicht nur den Abgesandten sondern auch die Pilgergruppe aus Portugal. “Denn wer hätte hinter den Worten “Honore schei Gott insch der Höhe” schon eine Aufforderung zur Ehrung des Allmächtigen vermutet und hinter “Schtoria von Jeschusch und den zwei Bacalhau” die Geschichte von der Speisung der Fünftausend?”

 

Der ganze Roman setzt sich aus diesen kurzen Episoden zusammen. Die mal komisch, mal skurril aber auch verträumt (die Romanze zwischen Luigi und Maria) ein stimmiges Gesamtbild formen. Oder wie es Don Antonio ausdrückt. In Treviso findet jeder das was der sucht - was auch immer das war.