Düster
Das zweite Kind von Marco De Franchi ist ein düsterer Thriller, der Leser:innen tief in die Abgründe der italienischen Provinz und die Geheimnisse hinter zwei verstörenden Kindesentführungen zieht. Im Mittelpunkt steht der verstörende Fund eines kleinen, entkommenen Jungen, der nackt und verängstigt in der Nacht auftaucht und erzählt, dass er einem Unbekannten entkommen konnte. Fast zeitgleich wird in Bologna ein weiterer Junge entführt, der dem ersten Kind verblüffend ähnlich sieht. Die Ermittlerin Valentina Medici von einer römischen Spezialeinheit wird beauftragt, in diesem brisanten Fall die Wahrheit ans Licht zu bringen.
Die Handlung entfaltet sich mit einer Mischung aus Spannung und Detailverliebtheit, die die Atmosphäre der toskanischen und bolognesischen Schauplätze intensiv beschreibt. De Franchi ist erkennbar darum bemüht, psychologische Abgründe und Hintergründe sorgfältig darzustellen und Verbindungen zu einer mysteriösen Serie von Cold Cases und Kunstwerken herzustellen, was die Geschichte komplex und tiefgründig macht.
Allerdings kann das detaillierte Erzählen auch etwas langatmig wirken. Gerade im ersten Drittel wird der Geduldsfaden der Leser:innen auf die Probe gestellt, bevor der Plot wirklich in Schwung kommt. Trotz der Düsternis und des verstörenden Themas bleibt die Spannung oft subtil, und die wendungsreiche Erzählweise könnte manchen als zu langsam empfunden werden. Insgesamt besticht der Thriller durch seine unheimliche, fast schon künstlerische Atmosphäre, wobei das Augenmerk auf die Psyche der Ermittlerin und die feinen, beunruhigenden Hinweise gelegt wird.
Bewertung: 3 von 5 Sternen. Für Thriller-Fans, die eine Vorliebe für düstere, psychologisch aufgeladene Geschichten und detaillierte Erzählweisen haben, könnte Das zweite Kind ein packendes Erlebnis sein. Wer es jedoch gerne etwas straffer und temporeicher mag, könnte sich etwas mehr Dynamik wünschen.