Das Spiel mit der menschlichen Psyche

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Helen Callaghan macht es dem Leser zu Beginn der Geschichte leicht, indem sie ihn erst auf ziemlich einfache Weise mit den einzelnen Charakteren vertraut macht. Ein flüssiger und guter, wenn auch sehr schlichter Schreibstil helfen dabei, in die Geschichte zu finden. Zu Beginn gab es für mich jedoch einige Längen und gerade da musste ich mich noch motivieren weiterzulesen. Die Spannung baut sich ganz langsam auf und nimmt im Verlauf immer mehr zu. Tatsächlich gab es erst irgendwo aber der Hälfte überraschende Wendungen, die mich das Buch dann haben verschlingen lassen. Und ab da wurde die Spannung konstant bis zum Schluss gehalten.

Mit Margot als Ich-Erzählerin sympathisiert man zunächst, da sie sich wirklich Sorgen um ihre verschwundene Schülerin Katie macht. Im Verlauf merkt man, dass Margot eine ziemlich komplexe Persönlichkeit ist. Sie hat ihre starken und taffen Seiten, aber man bekommt auch immer mehr mit, wie sie offenbar vieles verdrängt oder verschweigt und wie psychisch labil sie tatsächlich ist. Aber nicht nur durch Margots unzuverlässiges Verhalten wird die Geschichte immer mysteriöser. Es gibt ein paar Wendungen und Überraschungen, die den Leser die Handlung immer wieder hinterfragen lassen. Zwischenzeitlich scheint es, als könnte man niemanden mehr vertrauen und glauben.

Erzählt wird „Dear Amy“ nicht nur aus der Sicht von der Lehrerin Margot, sondern auch vom Entführungsopfer Katie oder dem Täter selbst. Das war ziemlich spannend und bot eine gute Abwechslung zu Margots Sicht und ihrem Wettkampf gegen die Zeit, Katie doch noch zu finden. Besonders interessant und gleichzeitig ziemlich erschreckend fand ich die Sicht vom Täter. Wie man in seine Psyche blickt, wie er denkt, was ihn antreibt, wie besessen er offenbar ist. „Dear Amy“ weist dabei einen komplexen, vielschichtigen und gut durchdachten Aufbau auf. Ich mag diese Bücher, die mit der Psyche spielen, die einen alles hinterfragen lassen viel mehr als die Bücher, in denen eine blutige Szene die nächste jagt. Vieles geht in diesem Roman unter die Haut, besonders wenn man liest, was mit den Opfern passiert oder welche verquere und kranke Denkweise der Täter an den Tag legt. Dadurch bekommt die Geschichte eine bedrückende, unheimliche, teils sogar verstörende und grausame Atmosphäre. Aber das macht einen guten Psychothriller für mich auch irgendwie aus.


ZUSAMMENFASSEND
„Dear Amy“ ist ein gelungener Thriller, der gut mit der menschlichen Psyche spielt. Zwar hatte ich zu Beginn einige Schwierigkeiten, da der Roman ein paar Längen aufwies, ab der zweiten Hälfte wurde dies jedoch mit einigen spannenden Wendungen wieder gut gemacht. Es entsteht eine bedrückende und verstörende Atmosphäre, die unter die Haut geht. Durch die unzuverlässige Erzählerin Margot gestaltet sich vieles noch mysteriöser und letztlich muss man einfach wissen, was mit Katie passiert und was wirklich alles hinter diesem Fall steckt.