Ein packender und psychologisch tiefgehender Thriller

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Margot Lewis ist Lehrerin und zugleich Kummerkastentante der Kolumne "Dear Amy". Eines Tages erhält sie einen Brief der jahrelang vermissten Bethan Avery. Es ist ein Hilferuf, Bethan werde immer noch gefangen gehalten und sie habe Angst, dass ihr Entführer sie umbringen wird. Anfangs vermutet Margot, dass sich hinter dem Brief ein alberner Schülerstreich verbirgt. Diesen bringt sie wie auch einen darauffolgenden Brief vorsorglich, jedoch ohne große Erwartungen, zur Polizei. Bethan Avery galt als totgeglaubt, da ein blutiges Nachthemd kurz nach ihrem Verschwinden auftauchte. Eine Leiche wurde jedoch nie gefunden. Die Briefe werfen nun aber ein neues Licht auf diese Theorie, da sie Informationen enthalten, die nie publik gemacht worden sowie Schreibstil und Handschrift Bethans Tagebuch ähneln. Zur selben Zeit verschwindet eine Schülerin derselben Schule, in welcher Margot arbeitet. Katie nimmt eines späten Abends von zu Hause reißaus, da sie die Bevormundung des neuen Lebenspartners ihrer Mutter nicht mehr länger erträgt. Dies treibt sie in die Fänge eines schrecklichen Mannes, der sie überwältigt und entführt. Für Katie beginnt ein nicht enden wollender Albtraum. Margot fürchtet derweil zurecht um Katies Leben und setzt alles daran sie zu finden bis Margot eine tiefgreifende Entdeckung macht und selbst in Gefahr gerät.

Der Psychothriller ist komplex aufgebaut, sehr gut ausgearbeitet und fesselt von der ersten bis zur letzen Seite. Die Autorin schafft es den Leser in die Position des jeweiligen Erzählers zu bringen, da aus der Perspektive der ersten Person geschildert wird. Auf diese Weise werden die Geschehnisse, Gedanken und Gefühle jeder Person quasi hautnah erlebt, wozu auch der Entführer zählt. Insbesondere diese Abschnitte sind es, die einen Frösteln lassen. Die Gräueltaten und der Peiniger an sich sind unheimlich, verstörend und grausam, wobei diese auf subtile Weise vermittelt werden und das Kopfkino beginnt. Wir erfahren die Beweggründe seiner Entführungen und erhalten nicht nur einen Einblick in sein ausgearbeitetes Vorgehen, sondern auch in seinen kranken Geist. Er verfolgt und beobachtet die Mädchen genauestens und ist der festen Überzeugung, sie seien in ihn verliebt. Hat er das Gefühl, dass sie doch keine Notiz von ihm nehmen, muss er die Mädchen bestrafen und zum Gehorsam zwingen. Die ganze Zeit hofft man darauf, dass Katie endlich gerettet wird oder gar fliehen kann.
Die Dramaturgie, welche den gesamten Thriller umrahmt, erhält zudem durch die beeindruckende Darstellung kognitiver Ablaufprozesse und Gedächtnisfähigkeiten des Menschen einen interessanten Aspekt. Margots vielschichtige und unergründliche Persönlichkeit wird sukzessive aufgearbeitet und die anfänglich bestehenden Fragen um ihre Panikattacken und ihre Vergangenheit werden beantwortet. In diesem Zuge überlegte ich immer mehr, wie Bethan als Entführungsopfer in der Lage sein kann, nicht nur an Papier und Stift zu kommen, sondern vielmehr, wie der Brief schließlich auf den Postweg gebracht werden konnte. Es stellte sich eine Vermutung ein, sodass das Ende für mich nicht überraschend war. Dennoch tat dies der Spannung keinen Abbruch und auch die Auflösung gestaltete sich als nachvollziehbar und komplementierte das Gesamtkonstrukt.
Der Spannungsbogen blieb konstant und gewann insbesondere zum Ende hin noch einmal an Fahrt. Es beginnt ein Wettlauf um die Zeit, denn Katie steht mit einem Bein im bereits ausgeschaufelten Grab. Kann Katie gerettet werden?

Fazit: Ein großartiger Thriller, welcher sowohl Psychopathie als auch die psychischen Langzeitfolgen auf der Opferseite thematisiert.