super packende Psychostudie!

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marionhh Avatar

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Der Lehrerin Margot Lewis geht es gerade nicht so gut: Sie steckt mitten in der Scheidung von Noch-Ehemann Eddie, kämpft gegen Panikattacken und macht sich Sorgen um die verschwundene Schülerin Katie. Jeder ist überzeugt, dass Katie abgehauen ist, aber Margot glaubt nicht daran. Da bekommt sie einen Leserbrief an ihre Kolumne „Dear Amy“ mit dem Hilferuf der Schülerin Bethan, die anscheinend von einem Fremden entführt wurde – nur ist dies schon 18 Jahre her! Margot beginnt auf eigene Faust zu recherchieren und bekommt noch weitere Briefe. Hilfe erhält sie vom Wissenschaftler Dr. Martin Forrester, der im Verschwinden von Katie das Muster eines Serientäters erkennt. Als die Briefe als authentisch eingestuft werden, rollt die Polizei den Fall Bethan neu auf und dreht einen neuen Film, der die Tat rekonstruiert und in dem auch Margot zu sehen ist. Dadurch gerät sie ins Visier des Täters…

Super spannender, sehr emotionaler Psychothriller mit Gänsehaut-Garantie! Schon im Prolog schafft es die Autorin, den Leser zu fesseln, ihr Schreibstil ist flüssig und eingängig, nicht simpel aber sehr gut zu lesen, und man will natürlich wissen wie es weitergeht. Die „Haupt“-Geschichte, die aus der Sicht von Margot erzählt wird, beginnt an sich recht harmlos, es werden unter anderem Alltagssituationen beschrieben und die private Lebenssituation von Margot. Nach und nach erhält der Leser tiefe Einblicke in das Seelenbeleben von Margot, in ihre unschöne Vergangenheit und in ihre Panikattacken. Margot ist eine sehr kluge, gebildete und empathische Person, die engagiert ist in der Schule und beliebt bei ihren Schülern und die mit großem Eifer ihre Kolumne „Dear Amy“ betreibt, die anderen Menschen helfen soll, ihr Leben zu meistern. In dem Maße, wie ihr Eindringen in den Fall Katie voranschreitet, erhält man auch mehr Details aus ihrem Leben und tiefe Einblicke in ihre verstörte Seele. Und je mehr ans Licht kommt, desto mehr ahnt man langsam, was Sache ist. Dies tut aber der Spannung bei weitem keinen Abbruch, denn es bedeutet nicht, dass man den Täter überführt hat…

Die Autorin verzichtet – nicht gänzlich, aber doch größtenteils - auf allzu blutige, sensationsheischende Action. Sicherlich gibt es auch Gewaltszenen, doch die Spannung wird zumeist sehr subtil erzeugt. Dadurch dass man als Leser Margot nicht einschätzen kann, weiß man nicht, was wahr ist und was eingebildet. Man lebt jedoch sehr stark mit ihr mit und natürlich auch mit Katie, und so kann man das Buch kaum aus der Hand legen und muss einfach immer weiterlesen. Aufgrund von Margots labilem Geisteszustand hat man doch starke Zweifel, wie das alles enden wird.

Margots Gegenpart ist der ebenfalls labile Täter, und einzelne Kapitel zwischendurch werden aus seiner Sicht sowie aus der Sicht Katies, des Opfers, erzählt. Das ist zwar kein neues Stilmittel, erhöht aber die Spannung ungemein, was an dem ungeheuren bildhaften und eindringlichen Schreibstil der Autorin liegt und vor allem daran, dass der Leser viel von den Motiven des Täters und seines Wahnsinns erfährt und so mehr weiß als Margot. Ab dem Zeitpunkt, da Margot in der Rekonstruktion zu sehen ist, nimmt die Geschichte noch einmal richtig Fahrt auf, sie gerät in Lebensgefahr und muss sich ihrer Vergangenheit stellen. Der Leser kann dies nur atemlos verfolgen, viel Zeit zum Überlegen bleibt nicht. Nun ist dieses Buch auch kein klassischer Thriller oder „Whodunnit“-Krimi, sondern lebt vor allem vom psychologisch hochinteressanten Charakter Margots und ihrer nach und nach hervortretenden Lebensgeschichte. Das Wiederauftauchen ihrer Erinnerungen steht den Aktionen des Täters gegenüber, der ihr immer einen Schritt voraus zu sein scheint und von dem man genau weiß, was er in seiner Panik als nächstes tun wird und dass es ein Wettlauf mit der Zeit ist.

Fazit: Großartiger Psycho-Thriller mit unverhofften Wendungen und eine eindringliche Studie eines verstörten Geistes. Wer Psychothriller und das Genre mag, wird dieses Buch lieben. Es ist von einigem Vorteil, wenn man sich für psychische Krankheiten interessiert, sich ein bisschen damit auskennt oder gerne in das Seelenleben anderer eintaucht. Am Ende gibt es einen durchaus befriedigenden Schluss, bei dem man pfeifend den Atem entweichen lässt und sich endlich wieder anderen Dingen zuwenden kann.