Von Hunden und Menschen...

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Was unterscheidet den Menschen von einem Tier bzw anderen Lebensformen? Ist es die Möglichkeit, sich Fähigkeiten jenseits der üblichen Instinkte anzueignen und diese zum Wohle aller anzuwenden? Oder ist der Mensch eigentlich nur ein berechnendes Wesen, das ausschließlich auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist und darüber hinaus auch die Eigenen hintergeht und/oder gar tötet? Tiere handeln instinktiv, für den Menschen manchmal ohne "Sinn und Verstand", Gefühle im Sinne von Empfindungen und sich dadurch leiten lassen, stehen wir ihnen kaum zu, zu sehr stellt sich der Mensch als vermeintlich denkendes Individuum über jede andere Lebensform...

In einer wüstenähnlichen Umgebung, in der es kaum noch Menschen gibt, geht es um einen Jugendlichen namens Jeet, der als Baby bei einem Überfall "der (menschlichen) Wilden" auf seine Familie überlebt und fortan in den Deathlands von einem Rudel von wolfsähnlichen Deathland Dogs aufgezogen wird. Später, bei dem Versuch, mit seinem Rudel in einem Fort an Essbares zu kommen, wird sein Rudel getötet und er als 5-jähriger von einem der letzten 2 verbleibenden Clans Menschen aufgenommen und über Jahre hinweg von Starry rehumanisiert. Auch wenn Jeet irgendwann die Fähigkeiten des lesen und schreibens beherrscht, verliert er nie die Bindung, die Sehnsucht zu den Hunden, ganz besonders zu seiner Hundemutter, die ihn und seine (tierischen) Instinkte stark geprägt hat. Jeet empfindet Menschen gegenüber Misstrauen und kann ihr Handeln nicht immer nachvollziehen, was wohl auch daran liegt, dass man in den wenigen "Hundskindern", die in dem Fort leben, Menschen zweiter Klasse sieht und sie entsprechend schlecht behandelt. Hundskinder dürfen keinen Kontakt zu anderen Hundskindern haben und als Jeet eines Tage auf Chola Se, ebenfalls ein Hundskind, trifft, bahnt sich ein emotionales Wirrwarr an, dass Jeet in einen Konflikt mit den Bewohnern bringt. Überhaupt wirken die Fähigkeiten und Instinkte der Hundskinder auf die Bewohner eher bedrohlich, was sich die Führung des Clans zunutze machen will, als sich ein Kampf mit dem verfeindeten Clan der Dau anbahnt. Kann Jeet seinem Clan hilfreich zur Seite stehen und was hat das für Auswirkungen auf sein Dasein und das anderer Hundskinder bei den Menschen seines Clans? Kann er ihr Vertrauen gewinnen und auf ihre Unterstützung hoffen?

Zu aller erst fällt natürlich das tolle Cover mit Hund und laufendem Jungen auf - in schönen, teilweisen hellen erdenen Farben, die sich bis zu kräftig orange-rot hinziehen. Das an sich ein Hardcover und liegt durch sein stattliches Gewicht sehr gut in der Hand. Durch die "simple" Schreibweise bzw. das weglassen der Kommatas und der wörtlichen Rede bekommt Kevin Brooks neuer Roman "Deathland Dogs" einen besonderen Touch, was das lesen selbst jedoch nicht immer einfach macht - in der englischen Version spielt dieses auf die Vielzahl von Analphabeten der letzten Überlebenden an, von denen nur noch eine kleine Handvoll lesen und schreiben kann. Das ganze Szenario spielt in einer Zeit nach der üblichen Zeitrechnung - durch Kriege und eine verheerende Umweltkatastrophe gibt es keine Zivilisation mehr im herkömmlichen Sinne. Hier gelten nur noch der Instinkt, überleben zu wollen und bei den letzten Menschen, wie gewohnt, Macht zu erlangen und diese auch mit allen Mitteln auszuüben, koste es, was es wolle, notfalls wird auch der letzte Mitbewohner umgebracht - typisch Mensch halt, selbst wenn es nichts mehr zu kämpfen und vernichten gibts, sucht man trotzdem noch irgendwo danach... Brooks erschafft eine stark minimalistische Landschaft - Wüste, ein paar schroffe Gebirgsketten und irgendwo ein Stück versifften Strand, der von üblen, wurmähnlichen Kreaturen bewohnt wird. Ressourcen wie Wasser oder etwas zu Essen sind ständige Mangelware und werden, sofern vorhanden, streng eingeteilt. Meist hat man nur das, was man am Leib trägt oder ein paar Habseligkeiten aus einer längst vergangenen Zeit, dass heute weder Wert noch Sinn hat. Die Hauptprotagonisten sind bildlich, aber auch emotional klasse dargestellt, mit manchen leidet und lacht man gerne mit, während man die anderen immer mehr verachtet und ihnen am liebsten selbst den Hals umdrehen würde. ;-) Apropos Hals umdrehen - Brooks stellt in dieser Endzeitstory viele gewaltvolle Szenen dar, von Vergewaltigung über Mord und Totschlag im wörtlichen Sinne, Waffen in allen Größen und Ausführungen - ich bin mir nicht sicher, ob das für ein Jugendbuch wirklich geeignet ist, allerdings denke ich auch, dass die Grundlage der Geschichte an sich, einen brutalen Ausgangspunkt hat, eine Zeit, in der Niemand mehr etwas zu verlieren hat. Dennoch wird auch hier das Spiel "Gut gegen Böse" angegangen, die Frage nach Moral und Verantwortung gestellt. Der Konflikt, dem Jeet körperlich, wie auch psychisch ausgesetzt ist, ist für den Leser spürbar dargestellt. Schade finde ich allerdings, dass die Deathland Dogs im Verhältnis relativ wenig im Buch vorkommen, schließlich sind sie es doch, die dem Buch den Namen gegeben haben. ;-) Insgesamt hat mir das Buch gut gefallen, das Szenario und die Handlungen sind klar nachvollziehbar und die Geschichte ist spannend aufgebaut. Wer sich mal an was anderes wagen möchte, ist hiermit gut beraten, von mir gibt´s 4 von 5 Sternen.