Bird - Vogelfrei
Inhalt
Die zweiundfünfzigjährige Heather Berriman ist britische Agentin – sie hilft dabei, korrupte Agenten in den eigenen Reihen zu finden und auszuhebeln. Als sie vermutet, dass ihr Chef in etwas verwickelt sein und sie mit hineinziehen könnte, wird sie hellhörig. Aber der Schlag erfolgt unerwartet: Während eines Meetings reicht ein Blick, eine Geste, um ihr klarzumachen, dass sie fliehen muss. Einen Plan hatte sie bereits, doch auf dem Weg quer durchs Land und über das große Meer hinweg, sind ihr die Kollegen – und Assassinen – dicht auf den Fersen. Heather weiß, sie muss einen Weg finden, ihre Unschuld zu beweisen. Doch sie kann niemandem mehr vertrauen.
Meinung
Der Name der Hauptfigur existiert auch in unserer Welt, die Autorin hat ihn ausgelost. Wer einmal in einem Roman auftauchen möchte, spende Geld an eine gemeinnützige Organisation. Aber nicht nur dieser ist es, der durch und durch echt wirkt. Die Autorin hat hervorragend recherchiert und so etwas geschaffen, dass weit über das übliche Spionage-Klischee hinausgeht.
Heather ist kein Superagent, sondern ein Mensch mit inneren Widersprüchen, Entscheidungen unter Druck und einer Geschichte, die nachhallt. Der Roman schafft es, sowohl Spannung als auch emotionale Tiefe zu liefern, ohne ins Pathetische abzudriften. Sie ist keine Mitdreißigerin – die hat die Fünfzig bereits überschritten. Hier finden sich allerdings keine Klischees, außer jenem, dass andere in ihr als ältere, kleine Dame weniger sehen, als das, was in ihr steckt. Was sie auszunutzen weiß.
Die Geschichte beginnt, als sie aus dem Besprechungsraum fliehen muss. Eine Szene, der wir mehrfach begegnen werden. Danach wechseln sich einige wenige Kindheitserinnerungen – der Vater war ebenfalls Agent – mit der anfänglichen Flucht ab. Die wird so anschaulich und durchdacht geschildert, dass jeder Leser an den Zeilen kleben wird.
Doch dann scheint es erst einmal eine Art Bruch zu geben. Denn Heather hat schon einiges erlebt in ihrem Leben und nun wird ihr Werdegang erzählt. Sie hat sich als Kadettin gemeldet und dort eine besondere Freundschaft mit Flavia geschlossen. Die Ausbildung ist interessant geschildert, auch was das Frauenbild betrifft. Denn die haben nicht das Kämpfen gelernt, sondern die Floristik, da niemand sie je gedachte in einen Einsatz zu schicken. Es heißt trotzt dieser reflektierten Sichtweise Zähne zusammenbeißen, denn hier scheint plötzlich eine Art andere Geschichte zu beginnen. Der Leser sollte sich spätestens hier klarmachen, dass es von Anfang an als eine „andere Geschichte“ geplant war. Nicht das, was man sonst als Einheitsbrei vorgesetzt bekommt, kein durchtrainierter Mann, dem alle Frauen zu Füßen liegen. Hier ist die Frau der Mittelpunkt – und die ist nicht perfekt. Um aber verstehen zu können, wie es überhaupt zu diesem Zeitpunkt kommen konnte, als Heather nichts anderes blieb, als die Flucht nach vorn, muss man wissen, was sie in ihrem Leben geformt hat. Und natürlich waren das stets und in besonderen Maße die Männer, die sie umgaben. Auch scheint es, dass just zu diesem Moment als sie fliehen musste, alles irgendwie zusammengeflossen ist, es musste exakt zu diesem Zeitpunkt sein. Der Mittelteil ist also Heather wie sie leibt und lebt.
Erst im letzten Drittel ist der Leser wieder mit ihr auf der Flucht – und begreift stetig mehr. Wie sehr ihr Leben sie geformt hat, wie viel sie wirklich durchdenken musste. Und wie viele Fallstricke es gibt. Sie zeigt es dem Leser am Ende in Form der isländischen Lavahöhlen. Ein absolut gelungenes Bild.
Die Flucht ist auch ein Weg zu sich selbst. Sie arbeitet sich selbst und ihr Leben auf. Der größte Punkt war der Bruch mit Flavia, der Tod der Mutter, dass sie selbst keine Familie (mehr) hat. Dennoch (oder gerade deswegen?) präsentiert die Autorin hier eine starke Frau mit ebenso starker Persönlichkeit, die sich nimmt, was sie möchte – auch einen Mann. Das Ende ist krass, da hat es die Autorin wunderbar geschafft, den Leser plötzlich in Sicherheit zu wiegen, alles werde gut. Aber wird es das? Es kann sein, dass es für manche ein bisschen zu offen wirkt, aber wer die ganze Story auf sich wirken lässt, erkennt, dass es gar nicht anders funktionieren würde. Heather und ihr Leben können nur so.
„Deckname: Bird“ ist kein Actionthriller, auch wenn er ein paar actionlastige Szenen enthält. Die Geschichte ist viel literarischer erzählt, in jedem Fall aber viel weiblicher. Sicher, es war nicht unbedingt das, was ich anfangs erwartet hatte, aber das hat es für mich nur umso reizvoller gemacht. Wer Spionageliteratur auf hohem Niveau schätzt, kommt hier voll auf seine Kosten. Für mich ein fast perfektes Leseerlebnis – spannend, klug und lange nachwirkend.
Die zweiundfünfzigjährige Heather Berriman ist britische Agentin – sie hilft dabei, korrupte Agenten in den eigenen Reihen zu finden und auszuhebeln. Als sie vermutet, dass ihr Chef in etwas verwickelt sein und sie mit hineinziehen könnte, wird sie hellhörig. Aber der Schlag erfolgt unerwartet: Während eines Meetings reicht ein Blick, eine Geste, um ihr klarzumachen, dass sie fliehen muss. Einen Plan hatte sie bereits, doch auf dem Weg quer durchs Land und über das große Meer hinweg, sind ihr die Kollegen – und Assassinen – dicht auf den Fersen. Heather weiß, sie muss einen Weg finden, ihre Unschuld zu beweisen. Doch sie kann niemandem mehr vertrauen.
Meinung
Der Name der Hauptfigur existiert auch in unserer Welt, die Autorin hat ihn ausgelost. Wer einmal in einem Roman auftauchen möchte, spende Geld an eine gemeinnützige Organisation. Aber nicht nur dieser ist es, der durch und durch echt wirkt. Die Autorin hat hervorragend recherchiert und so etwas geschaffen, dass weit über das übliche Spionage-Klischee hinausgeht.
Heather ist kein Superagent, sondern ein Mensch mit inneren Widersprüchen, Entscheidungen unter Druck und einer Geschichte, die nachhallt. Der Roman schafft es, sowohl Spannung als auch emotionale Tiefe zu liefern, ohne ins Pathetische abzudriften. Sie ist keine Mitdreißigerin – die hat die Fünfzig bereits überschritten. Hier finden sich allerdings keine Klischees, außer jenem, dass andere in ihr als ältere, kleine Dame weniger sehen, als das, was in ihr steckt. Was sie auszunutzen weiß.
Die Geschichte beginnt, als sie aus dem Besprechungsraum fliehen muss. Eine Szene, der wir mehrfach begegnen werden. Danach wechseln sich einige wenige Kindheitserinnerungen – der Vater war ebenfalls Agent – mit der anfänglichen Flucht ab. Die wird so anschaulich und durchdacht geschildert, dass jeder Leser an den Zeilen kleben wird.
Doch dann scheint es erst einmal eine Art Bruch zu geben. Denn Heather hat schon einiges erlebt in ihrem Leben und nun wird ihr Werdegang erzählt. Sie hat sich als Kadettin gemeldet und dort eine besondere Freundschaft mit Flavia geschlossen. Die Ausbildung ist interessant geschildert, auch was das Frauenbild betrifft. Denn die haben nicht das Kämpfen gelernt, sondern die Floristik, da niemand sie je gedachte in einen Einsatz zu schicken. Es heißt trotzt dieser reflektierten Sichtweise Zähne zusammenbeißen, denn hier scheint plötzlich eine Art andere Geschichte zu beginnen. Der Leser sollte sich spätestens hier klarmachen, dass es von Anfang an als eine „andere Geschichte“ geplant war. Nicht das, was man sonst als Einheitsbrei vorgesetzt bekommt, kein durchtrainierter Mann, dem alle Frauen zu Füßen liegen. Hier ist die Frau der Mittelpunkt – und die ist nicht perfekt. Um aber verstehen zu können, wie es überhaupt zu diesem Zeitpunkt kommen konnte, als Heather nichts anderes blieb, als die Flucht nach vorn, muss man wissen, was sie in ihrem Leben geformt hat. Und natürlich waren das stets und in besonderen Maße die Männer, die sie umgaben. Auch scheint es, dass just zu diesem Moment als sie fliehen musste, alles irgendwie zusammengeflossen ist, es musste exakt zu diesem Zeitpunkt sein. Der Mittelteil ist also Heather wie sie leibt und lebt.
Erst im letzten Drittel ist der Leser wieder mit ihr auf der Flucht – und begreift stetig mehr. Wie sehr ihr Leben sie geformt hat, wie viel sie wirklich durchdenken musste. Und wie viele Fallstricke es gibt. Sie zeigt es dem Leser am Ende in Form der isländischen Lavahöhlen. Ein absolut gelungenes Bild.
Die Flucht ist auch ein Weg zu sich selbst. Sie arbeitet sich selbst und ihr Leben auf. Der größte Punkt war der Bruch mit Flavia, der Tod der Mutter, dass sie selbst keine Familie (mehr) hat. Dennoch (oder gerade deswegen?) präsentiert die Autorin hier eine starke Frau mit ebenso starker Persönlichkeit, die sich nimmt, was sie möchte – auch einen Mann. Das Ende ist krass, da hat es die Autorin wunderbar geschafft, den Leser plötzlich in Sicherheit zu wiegen, alles werde gut. Aber wird es das? Es kann sein, dass es für manche ein bisschen zu offen wirkt, aber wer die ganze Story auf sich wirken lässt, erkennt, dass es gar nicht anders funktionieren würde. Heather und ihr Leben können nur so.
„Deckname: Bird“ ist kein Actionthriller, auch wenn er ein paar actionlastige Szenen enthält. Die Geschichte ist viel literarischer erzählt, in jedem Fall aber viel weiblicher. Sicher, es war nicht unbedingt das, was ich anfangs erwartet hatte, aber das hat es für mich nur umso reizvoller gemacht. Wer Spionageliteratur auf hohem Niveau schätzt, kommt hier voll auf seine Kosten. Für mich ein fast perfektes Leseerlebnis – spannend, klug und lange nachwirkend.