Flucht

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
robertp Avatar

Von

Heather Berriman, genannt Bird, wird gejagt. Die Agentin einer Unterorganisation des englischen Geheimdienstes hat sich wegen hoher Steuerschulden verletzlich gemacht. Gedeckt von ihrem Vorgesetzten Kieron schien der Betrug lange Zeit gutzugehen, aber jetzt wird ein Opfer gesucht und in Bird gefunden. Heather hat sich vorbereitet, zu lange schon ist sie beim Geheimdienst, um zu wissen, irgendwann kommt alles ans Tageslicht. Sie taucht ab und flüchtet in die Einsamkeit des englischen Nordens. Skye, Inverness oder Thurso nennen sich die Dörfer wo sie kürzer oder länger verweilen kann, immer auf der Flucht, angespannt, immer allein.
Der Roman von Louise Doughty ist kein Thriller, sondern eine Beschreibung einer Frau, die auf sich allein gestellt in feindseliger Umgebung überleben muss. Tatsächlich ist ihre Schuld – sie hat ihre Kreditschulden nicht bei der Behörde gemeldet – gering, aber die Vertuschung gemeinsam mit ihrem korrupten Vorgesetzten macht sie erpressbar und zum Sündenbock.
Im Roman wird das Leben von Heather, ihre Freundschaft mit Flavia, eine Kameradin im WRAC (Woman‘s Royal Army Corps) in Rückblenden erzählt. Ihr Vater war selbst Spion und sie wird nach dem Ausscheiden aus dem Militärdienst als Agentin angeworben, wo sie gerne arbeitet. Mit Flavia, die ein Kind bekommt und aus der Armee ausscheiden muss, verbindet sie eine innige Freundschaft, die durch ein Missverständnis zerbricht.
Auf ihrer Flucht versucht sie zu verstehen, weshalb sie zur Zielscheibe geworden ist. Die Korruption ihres Vorgesetzten hat sie vorerst gar nicht wahrgenommen, erst mit den Jahren erkennt sie in welchem Dilemma sie steckt. Ihre Verstecke findet sie an den einsamsten kältesten Orten der Welt, sie findet keine Wärme und Geborgenheit. Zufällig findet sie heraus, das Flavia schon vor Jahren verstorben ist und mit dem Gedanken an deren Töchter Adelina findet sie einen Anker, der sie von einer Zukunft träumen lässt.
Für alle die sich einen Agentenroman ohne James Bond Aktion wünschen ist das der wohl geeignetste Protagonist. Er stellt das Geheimdienstleben trostlos dar, keine Freunden, kein Familienleben und keine Liebe. Wer sich auf ein solches Leben einlässt, kann niemandem vertrauen und bleibt sein Leben lang allein. Nur in der Distanz ist eine Bindung möglich und schwer zu behalten.