Kein James Bond und das ist auch gut so

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petraellen Avatar

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„Bird“ braucht keine Explosionen, um Spannung zu erzeugen. Es ist kein James-Bond-Fantasieprodukt, sondern ein leiser Roman über eine Frau auf der Flucht – körperlich und geistig.
Heather Berriman, genannt Bird, arbeitet beim britischen Geheimdienst. Sie ist Spezialistin für interne Ermittlungen. Als sie selbst ins Visier gerät, weiß sie, was kommt: Isolation, Desinformation, Vernichtung. Also geht sie. Und der Leser geht mit – durch Meetingsäle, Hotelzimmer, Tankstellen, Fähren, nordische Wälder und irgendwann über Gletscher.
Der Roman weniger ein Thriller als eine Zustandsbeschreibung. Es geht um Überwachung, Misstrauen und darum, wie es ist, jahrzehntelang ein Leben zu führen, das man niemandem erklären darf. Die Perspektive bleibt bei Bird. Auch die Rückblenden sind präzise gesetzt und helfen, Bird immer weiter zu verstehen, ohne zu entschuldigen. Es gibt keinen Allwissenden Erzähler sondern die Ich Perspektive. Und den Lesenden.
Doughty schreibt klar, ohne Sentimentalität. Kein Satz zu viel. Keine Szene zu wenig. Der Roman hat Tempo, ohne zu hetzen. Man erfährt, was man wissen muss, und versteht dadurch langsam immer besser, Die Puzzleteile werden zu einem komplexen Bild. Die Sprache ist funktional, nicht verspielt oder übertrieben. Das passt zum Inhalt.
Heather Berriman ist vielleicht kein Sympathieträgerin. Aber hier geht es auch darum, was es bedeutet, allein zu sein, niemanden vertrauen zu können. Was bedeutet dies und wie formt dies einen Charakter.
Wer keinen James Bond sondern einen tiefen psychologischen dadurch erst wirklich spannenden Agentenroman sucht, wird hier fündig. Die Figur hat Tiefe, Ambivalenz und Widersprüche.