Analytisch, leise, eindringlich

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Deep Cuts von Holly Brickley ist ein Roman über Musik, Leidenschaft und die Suche nach Verbindung: zwischen Menschen, aber auch zwischen Klang und Gefühl. Die Geschichte spielt Anfang der 2000er-Jahre in Berkeley und begleitet Percy Marks, eine Studentin, die Musik nicht nur hört, sondern seziert, analysiert und lebt. Als sie Joe trifft, einen jungen Musiker mit eigenen Ambitionen, entwickelt sich zwischen den beiden eine intensive, kreative und zugleich fragile Beziehung.

Was an Deep Cuts sofort auffällt, ist die starke Atmosphäre. Brickley fängt die frühen 2000er mit ihren kulturellen Referenzen, Barszenen und der Mischung aus Unbeschwertheit und Orientierungslosigkeit sehr authentisch ein. Auch die Art, wie sie über Musik schreibt, analytisch, leidenschaftlich, manchmal fast akademisch, ist ungewöhnlich und verleiht dem Roman einen eigenen Ton. Besonders Leser, die sich für Songwriting oder Musikgeschichte interessieren, werden hier viele kluge Beobachtungen entdecken.

Allerdings ist genau dieser Fokus auch die größte Herausforderung. Wer sich weniger für musikalische Details begeistert, könnte sich von den langen Passagen über Harmonien, Akkordstrukturen und Songtexte etwas distanziert fühlen. Auch bleibt die Handlung eher leise. Es geht weniger um äußere Ereignisse als um Stimmungen, Wahrnehmungen und innere Konflikte. Das funktioniert, wirkt aber stellenweise etwas zäh.

Percy als Hauptfigur ist faszinierend, aber nicht immer leicht zugänglich. Ihre Leidenschaft ist spürbar, ihre Unsicherheiten sind glaubwürdig, doch sie bleibt oft gedanklich in sich selbst verfangen. Joe wirkt im Vergleich dazu etwas blasser, was die Dynamik der Beziehung manchmal unausgewogen macht. Trotzdem gelingen Brickley einige emotionale Momente, vor allem wenn Musik und Beziehung ineinander übergehen und man spürt, wie Kunst und Liebe sich gegenseitig nähren, aber auch verletzen können.

Sprachlich bewegt sich Deep Cuts zwischen präziser Beobachtung und poetischer Leichtigkeit. Brickley schreibt klar, ohne unnötige Effekte, aber mit Sinn für Rhythmus. Man merkt, dass auch ihre Sprache von Musik beeinflusst ist.

Deep Cuts ist kein lauter Roman, sondern einer, der von Zwischentönen lebt. Er ist atmosphärisch dicht, musikalisch durchdrungen und introspektiv ...manchmal zu sehr. Wer sich auf die ruhige, analytische Erzählweise einlässt, findet hier eine feinfühlige Geschichte über Kunst, Nähe und Selbstwahrnehmung. Wer hingegen mehr Handlung oder emotionale Direktheit sucht, könnte sich etwas verloren fühlen.