Ein großer Spaß, ein cooler, zugänglicher Text!

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chimichurri Avatar

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'Deep Cuts' war ein großer Spaß, ein cooler, zugänglicher Text und ein Stück US-amerikanischer Zeitgeschichte von 9/11 bis MySpace. Die Mischung aus Freundschaft, Liebe und kreativer Zusammenarbeit, das nostalgische Setting und der lange erzählerische Atem von Holly Brickley haben mich ein wenig an 'Morgen, Morgen und wieder Morgen' von Gabrielle Zevin erinnert. Bloß dass es hier statt um Videospiele um Musik geht. Und über Musik kann Holly Brickley schreiben - persönlich, kenntnisreich und viel unprätentiöser, als man das aus Büchern wie 'High Fidelity' gewohnt ist, wo die eigene Musikvorliebe vor allem Abgrenzungs- und Selbststilisierungsgeste ist. Ich habe ein paar tolle neue Songs kennengelernt und alte mit anderen Augen - nein, Ohren - wiederentdeckt.
Percy ist eine kluge und nahbare Figur, deren Leben von der Unizeit bis ins Berufsleben, von Berkeley über New York nach Los Angeles man gerne in seinen Höhen und Tiefen verfolgt. Und Zoe - hinreißende Freundin und Nebenfigur - ist auf ihre Art viel plastischer und liebenswürdiger als der ständig tourende, achtzig Prozent des Buches abwesende Love Interest Joe. Dass Holly Brickley diese Freundschaft -, die die Liebesgeschichte für mich bei weitem aussticht - so schön herausgearbeitet hat, ist ihr hoch anzurechnen. Wer dieses Buch allerdings wegen der Liebesgeschichte liest (Achtung, Spoiler!), der muss sich darauf einstellen, ewig hingehalten zu werden, um dann auf den allerletzten Seiten ein übereiltes, unbefriedigendes Ende serviert zu bekommen.
Und trotzdem - der Text war sehr gut lesbar und es gab immer wieder tolle sprachliche Bilder, zum Beispiel einen Kuss, der "erschreckend, aber auch wohlig" ist, "so als würde man rückwärts in einen warmen Pool fallen." Ich kann das durchaus empfehlen: (Hals über Kopf, rückwärts oder wie auch immer) in diesen warmherzigen, klugen Text zu fallen.