Must read für Musiknerds.

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»Mir gefällt, […] wie Musik jeden Teil unseres Lebens durchdringt und prägt, und das nicht nur emotional, sondern auch körperlich. Andere Kunstformen sind dazu nicht in der Lage, nicht wahr? Man liest normalerweise kein Buch oder betrachtet ein abstraktes Gemälde, während man zugleicht tanzt oder Sex hat.« (S. 273)

Anfang der 2000er in Berkeley (Kalifornien): In einer Studentenkneipe treffen Percy Marks und Joe Morrow, beide Anfang 20, aufeinander. Die Jukebox gibt »Sara Smile« von Hall & Oates zum Besten und Percy lässt es sich nicht nehmen, den Song als »[g]rässliches Lied« (S. 7) zu bezeichnen. Durch ihre Aussage kommt sie ins Gespräch mit Joe. Die beiden sparen sich den Small Talk und sind sofort in ihrem Element: Percy als feinfühlige, geniereiche Musikkritikerin und Joe als Musiker. Am nächsten Morgen macht Joe, der Leadsänger der Band »Caroline«, Nägel mit Köpfen und möchte Feedback von Percy zu seinen Songs.

Während der gemeinsamen kreativen Arbeit funkt es zwischen den beiden, doch die Gefühle füreinander auszuleben gestaltet sich alles andere als einfach. Die Autorin Holly Brickley macht es den beiden nicht leicht zueinander zu finden — zahlreiche Twist führen zu Liebe, Wut, Eifersucht und gegenseitigen Verletzungen.
Unterstützt werden Percy und Joe von liebevoll ausgearbeiteten Nebenfiguren. Vor allem Zoe ist eine loyale Freundin für Percy UND Joe.

Geschrieben ist das Buch in Ich-Form aus der Perspektive von Percy. Ihre Gedanken und Handlungen sind nachvollziehbar. Für mich trifft Holly Brickley in »Deep Cuts« genau die richtigen Töne. Ihr findet in diesem Buch eine Liebesgeschichte, die ohne Kitsch auskommt, sondern mehr und mehr bittersüß schmeckt. Die Liebe und das Detailwissen wird an vielen Stellen deutlich. Außerdem lässt Brickley in ihrem Werk Platz für das politische Zeitgeschehen wie beispielsweise 9/11 oder die Bush-Jahre (Die Story beginnt Anfang der 2000er und endet etwa 10 Jahre später) und patriarchale Strukturen innerhalb der Musikindustrie.

»Für mich [Percy] persönlich hat ein »Deep Cut-Song« sowieso eine andere Bedeutung, die zudem mit den Ansichten anderer Leute nichts zu tun hat: Für mich geht es bei einem Deep Cut vornehmlich darum: Wie tief schneidet er dir ins Fleisch? Wie nah kommt er deinem Innersten? Wie lange hängt er dir nach?« (S. 42)

Nice to know: Unter dem Slangwort »Deep Cuts« dürfen wir übrigens verkannte Meisterwerke verstehen; es geht also um Songs, die die wahren Fans als solche entdecken und für die Allgemeinheit jedoch eher unbekannt bleiben. Abgeleitet wird »Deep Cuts« von der Rillen einer Schalplatte.

Mir wird das Buch noch lange im Kopf bleiben. Percy ist eine unvergessliche Protagonistin und dadurch ist »Deep Cuts« für mich auch definitiv ein Lesehighlight. Kaum zu glauben, dass es sich bei diesem Roman um ein Debüt handelt. Wahnsinn! Ich bin sehr begeistert!

Am Ende des Buches findet ihr übrigens einen QR-Code, der zur Playlist mit allen »Deep Cuts«, die innerhalb der Lektüre aufgegriffen werden, führt. Mein favorisierter Deep Cut ist Fleetwood Mac mit »What makes you think you’re the one« <3 Lieb’s! & wie genial ist bitte das Cover, das alle Deep Cuts auflistet?! Ich flipp echt aus, so toll ist dieses Buch!

Ach ja, »Deep Cuts« wird aktuell mit Saoirse Ronan und Austin Butler in den Hauptrollen verfilmt.

CN: Queerfeindlichkeit, sexualisierter Übergriff, Verharmlosung von Drogen, Alkohol und Zigaretten, patriarchale Strukturen in der Musikindustrie.


Ins Deutsche übersetzt von Stephan Kleiner.