Achtung, Ansteckend: London-Fieber

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Nach der Leseprobe war ich schon wieder in meiner Sehnsucht nach London verloren. Nach dem Buch erst recht. Und dann spielt es auch noch in Notting Hill... ich hatte tatsächlich vor der Lektüre die Befürchtung, es könnte sich in Klischees verlieren. Hat es das? Irgendwie schon, aber auf eine liebevolle Art, ohne dass es gestört hätte. Was für mich dann aber wirklich ein Haar in der Suppe war, war die Seichtheit der Geschichte. Der Plot kann sehr einfach rekonstruiert werden und ist nicht viel komplizierter als ein Kindermärchen. Jetzt mag man einwerfen, dass schon das Cover und der Titel auch nichts anderes versprechen. Ja, aber es ist so vorraussehbar, dass das Mitfiebern quasi nicht stattfinden kann. Das kann man aber auch als Vorteil sehen: Als Leser*in kann man sich zurücklehnen und das Buch genießen, Vertrauen schenken, dass schon alles gut wird.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die Protagonistin. Sie verhält sich SEHR kindisch und das hat nichts mit ihrer sozialen Phobie zu tun. Als ich gelesen habe, dass sie schon über dreißig ist, bin ich fast vom Stuhl gefallen. Es fühlte sich an der einen oder anderen Stelle unglaubwürdig an. ABER: Gerade hier steckt die positive Message, die ich sehr begrüße: Jeder hat sein eigenes Lebenstempo und seine eigenen Steckenpferde. Es hat mir tatsächlich Mut gemacht zu sehen, wie Milly aus sich rauskommt. Was für ein Name (kein Namensbashing)!
Eine weitere Auffälligkeit stellt der Schreibstil dar, im positiven Sinne. Ständig werden Gegenstände und Ereignisse personifiziert, wodurch ein humorvoller Touch Einzug hält. Das hat mir sehr gefallen. Auch der Wechsel der Erzählperspektive hat Schwung reingebracht, wobei es mich etwas irritiert hat, dass der personelle Erzähler, der für Will gesprochen hat, denselben Ton hatte wie Milly als homodiegetische Erzählerin.
Die Idee der Geschichte mit den unveröffentlichten Manuskripten ist spitze, allerdings finde ich das innovatives Vorhaben am Ende (verzeiht mir meine kryptische Formulierung, aber ich will nicht spoilern) sehr an den Haaren herbeigezogen.
Wofür man dann doch ein bisschen Geduld aufbringen muss, sind die kitschigen Beschreibungen in dem zitierten Manuskript und die Geschwindigkeit, mit der sich Milly und Will verlieben. Und vor allem für die Begebenheiten, die ihnen das ermöglichen. Kann der Zufall das noch auffangen oder ist eine höhere Macht im Spiel? Das meinte ich, als ich Kindermärchen sagte. Und an alle, die das Buch bereits gelesen haben, was haltet ihr von der Eule?
Insgesamt wird jeder nostalgische Buch- und Londonliebhaber mit Affinität zu Romantik hier auf seine Kosten kommen. Das Buch ist berechtigterweise ziemlich dünn, sodass die Seichtheit nicht stark ins Gewicht fällt. Wer sich an den Film "Nottin Hill" mit Julia Roberts erinnert fühlt, liegt nicht ganz falsch. Die Location und Chemie der Liebesgeschichte stimmen überein. Aber im Charme der Protagonistin und dem Erzählstil erkenne ich Bridget Jones eher wieder, wobei Bridget natürlich viel cooler ist.