Eine verlorene Welt

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
missbibliophile Avatar

Von

"Dein ist das Reich" von Katharina Döbler ist ein außergewöhnlicher Familienroman, der die Geschichte vier unterschiedlicher Menschen erzählt, deren Wege sich durch die evangelische Mission ins heutige Papua-Neuguinea kreuzen. Erzählt wird sie durch die Ich-Erzählerin, die eine Nachfahrin ist und die versucht, die Geschichte ihrer Familie, die aus halben Geheimnissen und vielem, das unausgesprochen blieb, besteht, zu rekonstruieren.
Anfänglich war ich eher skeptisch, da ich nicht zurecht glauben konnte, dass ein Roman mit tiefgläubigen Missionaren mir gefallen würde. Manche Passagen zu lesen fiel mir sehr schwer, etwa die, die die Haltung der weißen Missionare gegenüber den indigenen Einwohnern des heutigen Papua-Neuguineas beschrieben, die abfällige Sprache, die Arroganz und Überheblichkeit der Kolonialisten gegenüber allem, dass nicht deutsch und weiß war. Später mit dem Voranschreiten der Handlung dann auch die Begeisterung für die Nazis durch zwei der Protagonisten und einige der Nebencharaktere. Bei einem Protagonisten hat mich das ziemlich verwundert, da er gar nicht so dargestellt wurde, als ob er sich für die Nazis begeistern würde. Aber es hat deutlich gemacht, wie sich die Menschen damals ihre Anhängerschaft "gut reden" konnten.
Man würde es sich meiner Meinung nach zu einfach machen, wenn man nur Bücher lesen würde, die einen nicht beschäftigen beim Lesen und keine Reaktionen hervorrufen als nur mildes Interesse.
Deshalb bin ich froh, dieses Buch gelesen zu haben. Der flüssige Schreibstil der Autorin hat auch dazu beigetragen, wenn auch einige Sachen (z.B. die Abwesenheit von Anführungszeichen bei der wörtlichen Rede) gewöhnungsbedürftig waren.
Eine Sache, die mich in anderen Büchern gestört hätte, nämlich die - stellenweise - nicht lineare Handlung, hat mich in diesem Fall nicht beim Lesefluss gestört. Die Unterbrechung der Haupthandlung, die in der Vergangenheit stattfand durch die Ich-Erzählerin haben manchmal sogar geholfen, das vorher gelesene besser zu verstehen. Originell war auch die Idee Döblers, imaginäre Fotos zu beschreiben und diese Beschreibung im Text einzurücken, ganz so, als ob an dieser Stelle das beschriebene Foto hingehört hätte.
Alles in allem ein sehr gutes und spannendes Buch, das dem Leser ein schweres Thema und ein dunkles Kapitel der europäischen - hier spezifisch deutschen - Geschichte näher bringt anhand der Schicksale von "kleinen" Menschen.