Facettenreiche Geschichte

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likeastorm Avatar

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"Dein ist das Reich" von Katharina Döbler aus dem Claassen Verlag ist eine unglaublich facettenreiche Familiengeschichte, die vor allem die Jahre 1913 bis 1948 behandelt und dabei den Großeltern nach Papua Neuguinea folgt.
Das Cover, also der Buchumschlag, ist wirklich schön, die Farben und Kontraste sind toll und die Palmwedel haben eine besondere Haptik, wofür es von mir immer einen Pluspunkt gibt. Auf der Innenseite der Buchdeckel ist die Karte von Neuguinea, und auf der ersten Seite ein Stammbaum der Familie, auch immer wieder schön, wenn so etwas eingebunden wird.
Das Buch wurde professionell korrigiert, es fanden sich keine Rechtschreibfehler, was das Lesevergnügen vergrößerte. Es wurde genauso professionell lektoriert und es fanden sich keine Logik- oder Recherchefehler.
Der Schreibstil war ein Vergnügen, wirklich gut, bildhaft und sehr detailliert. Damit hat mich die Einführung in das Buch schon in den Bann gezogen. An manchen Stellen ist der Schreibstil insofern ungewöhnlich, als dass wörtliche Rede und Gespräche grundsätzlich NICHT in Anführungszeichen gesetzt werden und auch nicht durch Absätze vom Rest des Textes hervorgehoben. Das war für mich aber nur zu Beginn etwas gewöhnungsbedürftig.
Die Charaktere waren authentisch, tief und bildhaft ausgearbeitet. Ich konnte viele von ihnen lieben, manche auch hassen lernen. Es waren jedoch viele Charaktere, aber das ist normal, wenn eine Familiengeschichte zwei Generationen und vier Familien behandelt. Und wie viele Menschen man auf Reisen trifft. Alles in allem kommen die wichtigsten Personen aber häufig vor und man hat den Stammbaum zu Beginn des Buches, wenn man sich nicht mehr sicher ist.
Eine Geschichte dieser Art habe ich persönlich noch nie gelesen, was mich sehr positiv überrascht hat. Vorher habe ich mich nie groß mit Kolonialismus und Missionaren auseinandergesetzt, außer was man so in der Schule gelernt hat. Wie weitreichend das auch für Deutschland war, und vor allem wie vergleichsweise aktuell, war mir nie aktiv bewusst. Jetzt möchte ich mich unbedingt mehr damit beschäftigen. Und mit der Geschichte meiner Großeltern. Ich finde es toll, wenn ein Buch Interessen weckt und zu neuen Perspektiven auf bestimmte Dinge einlädt.
Das passiert in diesem Buch viel. Es hat neben dem Hauptthema noch viele kleine Themen, ebenso wichtig. Auswandern und Reisen, Krieg, Verlust, Liebe, die Rolle der Frau in der Zeit, Rassismus, Kultur... Es ist einfach sehr facettenreich und das ist toll.
Das Ende war gut konstruiert und gab einen Ausblick, was mit den Charakteren am Ende passierte. Das Buch endet ja im Jahre 1948 und die meisten Personen lebten ja darüber hinaus. Das ist ein schöner Gedanke zum Abschluss, auch wenn ich gerne noch mehr erfahren hätte. Aber dann wäre das Buch mindestens doppelt so dick, daher kann ich mit dem Ende gut leben. Einziges Manko: Ich hätte wirklich gerne mehr darüber erfahren, wie es den Kindern im Krieg erging. Man erfährt ja ein paar Sachen, aber nicht viel. Aber wenn sie nicht mehr herausgefunden hat, ist das eben so. Das muss man akzeptieren.
Ich empfehle das Buch jedem, der mal etwas neues lesen will. Das war für mich sehr erfrischend und die facettenreiche Geschichte bringt Abwechslung und gibt viel zum Nachdenken. Dass es dabei eben auch viel um Religion geht, hat mich selbst nicht gestört.