Kolonien des Irrsinns

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griseldis2000 Avatar

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Katharina Döblers Protagonistin Linette hat einen interessanten Familienstammbaum. So weit weg von Neuendettelsau wie nur möglich, zog es beide Großelternpaare, nämlich nach Papua-Neuguinea zu den „Wilden“.
Die damalige Kolonie „Kaiser-Wilhelmsland“ wurde von Missionaren, Händlern, Bauern und Soldaten aus Deutschland heimgesucht, um das Land auszubeuten und die „Eingeborenen“ dem „rechten Glauben“ zuzuführen.
Das liest sich authentisch, wortreich und in großer Detailfülle. Ein üppiges Bouquet aus Erinnerung und Analyse.
Die Autorin schafft es, anschaulich zu vermitteln, wie man damals dachte und fühlte, ohne dem jedoch Beifall zu zollen oder sich darüber zu erheben.
Für mich klingt ihre Kritik am damals herrschenden Welt-und Menschenbild angenehm sachlich bei allem Aberwitz, der beschrieben wird. Das ist wirklich toll gemacht. Was mir gar nicht gefallen hat war, dass die wörtliche Rede nicht nicht durch Satzzeichen verdeutlicht wurde, was meinen Lesefluss erheblich gestört hat. Ich musste die Geschichte schon sehr aufmerksam lesen, immer wieder verhakte sich mein Geist im mäandernden Erzählstrom und ich wusste nicht mehr recht, wer denn nun wer ist.
Ein gewaltiges Sittengemälde in einer Sprache, die sehr eigen und doch stimmig ist. Wer danach noch immer eine romantische Vorstellung von Mission und Kolonialisierung hat, dem ist nicht zu helfen.