Das Ende gefühlskalter Medizin?

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Jeder hat schon einmal vom Placeboeffekt gehört, der häufig dafür belächelt wird, irgendwie nicht echt zu sein. Damit räumen die Placebo- oder besser Erwartungswertforscher hier gehörig auf. Denn die damit verbundenen Prozesse und Botenstoffe in unserem Gehirn sind absolut messbar. Erklärt wird dies in niederschwelliger Sprache und anhand einfacher Abbildungen. Gleichzeit werden auch die einhergehenden Grenzen klar benannt - es ist eben kein Wunderwerk.

Trotzdem bietet es auch eine Lektion in Sachen Erwartungswerte. Denn gleich zu Beginn der große Hammer: In einer klinischen Studie erzielte eine authentisch vorgegaukelte Scheinoperation am Knie auf Jahre gesehen die gleiche Wirksamkeit wie eine echte Operation! Im direkten Anschluss verspricht das Buch dann: "Sie werden staunen und sich wundern [...], ja manches kaum [...] glauben." Tja, zu diesem Zeitpunkt war die Messlatte schon zu hoch gelegt, was den weiteren Verlauf für mich unnötig zäh gestaltet hat.

Dennoch, ein wiederkehrendes Highlight: Schmerzen, ein sehr subjektives Empfinden, können durch körpereigene Botenstoffe ebenso effektiv gehemmt werden wie starke Schmerzmittel. Mit der richtigen Konditionierung lassen sich diese schon durch Globuli oder Kochsalzinjektionen auslösen. Also liebe Eltern, wenn das Kind mal wieder gestürzt ist, immer fleißig pusten! Überhaupt dreht sich alles um die Frage nach Zuversicht und Hoffnung bei medizinischen Behandlungen. Und da sitzen Therapeuten in ihrer aktiven Rolle meist am längeren Hebel als Patienten. Trotzdem bietet es auch für letzte geeignete Denkanstöße zum selber mitwirken.

Nur konsequent ist der Abschlussappell nach neuen Zulassungsverfahren, in denen nicht bloß nach Medikamenten gesucht wird, die wirksamer sind als der Placebo-Effekt. Viel mehr sollte es im Anschluss darum gehen, das optimale Darreichungsverfahren zu bestimmen, mit dem Wirkmittel und positive Erwartungen den größtmöglichen Nutzen für den Patienten erzielen. Jedoch dürfte klar sein, dass das aktuell noch Zukunftsmusik ist. Löblich zum Schluss dann auch das Informationsverzeichnis, das dem so wichtigen Aufklärungsaspekt schon jetzt Rechnung trägt. Nur schade, dass es einem nicht dabei hilft, dem vorangegangenen Aufruf nachzukommen: "Schauen Sie durchaus auch mal in die Originalstudien hinein"! Denn von diesen fehlt dort jede Spur.