Mehr erwartet!

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In der modernen Medizin wächst die Erkenntnis, dass Körper und Geist in einem engen Zusammenhang stehen, weshalb Psychosomatik zu Recht sein Negativ-Image als Ausrede verliert, sondern als ernst zu nehmender Aspekt vieler Krankheiten ins Blickfeld gerät. Vor diesem Hintergrund startete ich mit großen Erwartungen in die Lektüre dieses Buches und wurde leider enttäuscht.
Prof. Ulrike Bingel und Prof Sven Benson starten zunächst mit interessanten Beobachtungen und Studien, wie unsere Erwartungen die Gesundheit und Genesung beeinflussen. Manches hat mich dabei wirklich überrascht, insbesondere die Wirksamkeit von Open-Label-Placebos hat mich wirklich verblüfft.

Doch die folgenden Kapitel haben mich enttäuscht: Die ausführlichen Überlegungen zu optimalen Arzt-Patienten-Beziehungen war zum einen eigentlich selbstverständlich, zum anderen in heutigen Arztpraxen (zumindest für Kassenpatienten) leider völlig unrealistisch. Wenn selbst in Kardiologie und Neurologie die Zeit für ein Gespräch über Lebensalltag und Belastungen fehlt und sich die gebetsmühlenartigen Ratschläge, Stress zu vermeiden wiederholen, kann sich man sich als Patient die Zeit für eine seitenlange Selbstauskunft (wie auf Seite 91 und 92 angeregt) sparen.

Daher ist das letzte Kapitel mit Forderungen an Politik und Gesellschaft gut gemeint, aber ich bin dafür leider die falsche Adressatin. Die Autoren sollten diese Forderungen lieber direkt an geeigneter Stelle vorbringen, und in ihrem Buch für Laien mehr konkrete Beispiele für das Zusammenwirken von Psyche und Seele bringen. So könnte der interessierte Laie für dieses Thema sensibilisiert werden und erkennen, dass seine Autoimmunkrankheit, seine Hautprobleme und vieles mehr auch ernstzunehmende psychosomatische Ursachen hat und er in Eigenverantwortung positiven Einfluss auf sein Krankheitsbild nehmen kann.