Beeindruckend und erschütternd

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goldie-hafi Avatar

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Inwieweit werden Kinder von den Traumata ihrer Eltern beeinflusst? Die Geschichte von Uli und Marie, die der Vergangenheit ihres, niemals über sie redenden, verstorbenen Vaters Paul auf den Grund gehen wollen, zeigt eindringlich, wie sehr historische Ereignisse ganze Generationen beeinflussen - selbst wenn oder gerade weil man nicht über sie spricht.
Paul erlebt den 'Todesmarsch von Brünn' als Junge mit, bei dem 27.000 Deutsche aus dem tschechischen Brünn am 31. Mai 1945 in wilder Vertreibung bis über die niederösterreichische Grenze gejagt werden. Über dieses einschneidende Ereignis kann er als Überlebender nicht reden, doch beeinflusst es sein ganzes Leben und das Leben der Generation danach. Nach dem Tod des Vater gehen die Kinder Marie und Uli auf Spurensuche und vollziehen den Marsch von Brünn aus, in Teilen, selbst nach.
Die Autorin schafft es atmosphärisch dicht die Angst, Wut, Verzweiflung erfahrbar zu machen, die nicht nur der Vater gefühlt hat, sondern die auch im Kopf der Kinder, speziell bei Marie vorhanden ist. Man hat phasenweise das Gefühl, als würden die Toten wieder lebendig werden.
Sehr emotional war für mich der letzte Teil des Buches, in dem es ein völlig unerwartetes 'Wiedersehen' aus der Vergangenheit gibt und dort wird einiges geklärt. Erst zum Ende habe ich erfahren, dass die Autorin hier auf Erfahrungen der eigenen Familiengeschichte zurückgreift, was es im Nachgang noch realistischer werden lässt. Das Buch ist schwere Kost - definitiv. Doch es ist unbedingt sehr lesenswert. Ein wirkliches Highlight für mich.