Wenn einer dem Schweigen ausdrucksstarke Worte verleiht

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Der Roman „Dein Schweigen, Vater“ handelt von Paul, der als kleiner Junge den Todesmarsch von Brünn überlebt und seine Vergangenheit in Form von Schweigen mit in seine Familie nimmt.
Und er handelt von Maria und Ulli, seinen Kindern, die dieses Schweigen mit in ihr eigenes Leben nehmen, bis zu einem Punkt, an dem ihr eigenes Leben an diesem Schweigen ins Stocken gerät und sie sich auf den Weg machen, diesem Schweigen auf den Grund zu gehen. Dieser Weg führt sie zurück nach Brünn auf die Route des damaligen Marsches der von den Tschechen am Ende des Zweiten Weltkrieg vertriebenen Deutschen.
Für den ersten Teil, die Schilderungen des Todesmarsches, brauchte ich drei Anläufe, zu groß der Schrecken und die Gräuel, die die Autorin mit den Augen und den Worten eines Kindes beschreibt, der noch nicht alt genug ist, alles zu verstehen, und doch alt genug, um zu viel zu begreifen. Dadurch wirken die Ereignisse auf den Leser noch unfassbarer, so dass auch ihm die Worte fehlen, das beim Lesen Gefühlte in Worte zu fassen.
Mit der Verschiebung der Perspektive auf die der Kinder von Paul tritt eine unerwartete Wendung ein. Die Autorin nimmt uns mit in zwei Leben, die sehr intensiv sind und zugleich auf der Suche nach einem Ziel. Die Beschreibungen werden sanfter, ruhiger trotz aller Zweifel und Getriebenheit der Protagonisten. In den Schrecken und das Schweigen mischen sich herzliche Erlebnisse, warme Begegnungen und tiefe Gespräche zwischen den beiden Geschwistern, aber auch zwischen den ihnen und den Menschen, denen sie auf ihrer Reise in die Vergangenheit begegnen. Der Schrecken schlummert unter einer atmosphärisch beschriebenen Landschaft zwischen Brünn und Wien und in den herzlichen Begegnungen zwischen den Tschechen und dem deutschen Geschwisterpaar, die nichts mehr von irgendwelchen Ressentiments erahnen lassen. Das Ende gibt eine Aussicht auf Versöhnung, vielleicht ist es etwas viel des Guten, vielleicht haben es sich die Figuren und die Leser aber auch verdient nach diesem schweren Marsch. Auch wenn Maria meint, Geschichte vollziehe sich in Kreisen wie die Ringe eines Baumes, macht das Ende doch Mut zu glauben, dass sich nicht alles zwangsläufig wiederholen muss, sondern dass der Mensch die Entscheidung hat durch Vergebung und durch das aufeinander Zugehen den Kreis zu etwas Gutem zu führen.
Der Autorin ist ein intensives, anrührendes Buch gelungen. Sie findet oft wunderbare Worte für das schwer Sagbare. Es ist ein Buch, das man lange mit sich trägt und nicht mehr vergessen wird.