Auf der Suche nach dem "Thrill"

Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern Leerer Stern
adel69 Avatar

Von

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

heute möchte ich ein Taschenbuch von Linwood Barclay vorstellen:

Dem Tode nah

Autor: Linwood Barclay

Verlag: Ullstein-Taschenbuch-Verlag

 

Ein Familienroman mit einigen Toten – oder: Die Handlung

Der 17-jährige Derek Cutter versteckt sich in dem Haus, in dem sein bester Freund Adam Langley und dessen Eltern wohnen. Derek weiß, dass Adam und seine Eltern planen, in den Urlaub zu fahren. Darauf wartet Derek – dann hat er das Haus für sich, und dann kann er seine neue Freundin Peggy treffen. Sie soll in das Haus der Langleys kommen.

 Doch daraus wird nichts. Peggy kann nicht kommen – und Derek hört, wie Adam und seine Eltern, kurz nachdem sie weggefahren sind, wieder zurückkehren. Nanu – warum denn das? Er muss still sein und einen günstigen Moment abwarten, um ungesehen das Haus verlassen zu können.

 Doch da kommt plötzlich jemand in das Haus der Langleys – und erschießt die ganze Familie...

 Was soll Derek tun? Er ist schockiert, sieht die Leichen – kehrt in sein Elternhaus zurück und sagt nichts von den schrecklichen Ereignissen.

 Derek und seine Eltern sind die Nachbarn der Langleys. Dereks Vater Jim Cutter erledigt Gartenarbeiten und verdient damit den Lebensunterhalt für sich, seine Frau Ellen und Derek. Zwischen Ellen und ihm gibt es immer wieder mal Diskussionen.

 Der Mord an Adam und seinen Eltern wird am nächsten Tag entdeckt – und Ermittlungen beginnen. Wer hatte ein Motiv, die Langleys umzubringen? Adams Vater war Strafverteidiger – könnte sich da jemand an ihm gerächt haben?

 Aber es gibt auch andere Mordmotive. So fällt Derek auf, nachdem ihn der Ermittlungsbeamte Barry durch das Haus der Langleys geführt hat, dass ein Computer in Adams Zimmer fehlt. Diesen Computer hatten Adam und Derek von Agnes Stockwell, einer älteren Dame, geschenkt bekommen – und die beiden wollten sich um die Daten auf der Festplatte kümmern. Dieser Computer gehörte einmal Brett – Agnes Sohn – der sich vor Jahren das Leben genommen hat. Könnte jemand Adams Familie umgebracht haben, um an diesen Computer und die Daten darauf zu kommen?

 

Auf der Suche nach der Spannung, also dem „Thrill“ – oder: meine Erfahrungen/Gedanken beim Lesen

 Ich hatte das erste Buch „Ohne ein Wort“ von Linwood Barclay mit Begeisterung gelesen – und so freute ich mich auf sein neues Buch. Schon die Aufmachung des Buches ist vielversprechend: schwarzes Taschenbuch mit weißer Schrift. Auf dem Cover eine grünfarbene Treppe und einer geöffneten Tür, aus der grünes Licht entweicht. Dann noch das „Prädikat“ „Thriller“ und ein weiteres Prädikat „Vox-Krimi-Tipp“ auf dem Cover. All das verspricht Spannung pur.

 Das englische Wort „thrill“ bedeutet Nervenkitzel. Ich habe also eine Erwartungshaltung an ein Buch, das mit „Thriller“ beworben wird – ich erwarte Spannung auf jeder Seite – einen „Pageturner“, also ein Buch, dessen Seiten sich bei der Lektüre fast von selbst umblättern, weil es so spannend ist.

 Solch ein Leseerlebnis habe ich bei „Dem Tode nah“ nicht gehabt.

 Der Prolog ist noch gut. Er wird aus der Perspektive des auktorialen Erzählers (allwissenden Erzählers – also des Erzählers, der über alle Personen in der dritten Person „er, sie, es/sie“ schreibt und demzufolge kein Ich-Erzähler ist) geschrieben, er ist wirklich packend. Der Leser erfährt, dass die Familie Langley innerhalb von Minuten hingerichtet wird – eine detaillierte Beschreibung des Tötens und der Leichen wird dem Leser dabei erspart (was ich persönlich sehr gut finde). Der Leser ist gespannt – er wird Zeuge davon, wie es Derek die Schüsse hört, die Leichen findet – und wie es ihm gelingt, voller Panik bei Nacht das Haus zu verlassen...

 Danach folgt das erste Kapitel – und hier wird auf einmal die Erzählperspektive gewechselt. Der Roman wird aus der Sicht von Jim Cutter – Dereks Vater – erzählt – und er ist wahrlich erzählfreudig in allen Dingen, die mit ihm und seinem Leben und seiner Vergangenheit zu tun haben – und oft wirklich von dem eigentlichen Thema des Buches – dem Mord an den Langleys - ablenken.

 Mich störte dieser Erzählperspektivenwechsel beim Lesen ganz gewaltig. Der Vater „schwafelt“ (plaudert) über „Gott und die Welt“ – über seine Sorgen und Probleme – und dadurch verflog die spannende Stimmung, die ich während des Lesens des Prologs verspürt hatte, ganz schnell.

 So zog sich die Handlung hin wie Kaugummi – am wichtigsten waren seitenlang die Sorgen des Vaters, seine Zwistigkeiten mit seiner Frau – Derek war da eher eine Nebenfigur und der Mord an den Langleys auch. Und je mehr ich dieses „Geschwafel“ las, umso mehr langweilte ich mich. Nein, in meinen Augen ist das kein Thriller – das ist ein Familienroman mit ein paar Toten.

 Nach circa 430 Seiten werden einige Fragen, die während der Ermittlungen auftauchen, beantwortet – so wird dann wieder etwas Spannung erzeugt. Am Schluss gibt es einen Showdown zwischen der Person, die die Morde begangen hat, und einigen weiteren Personen – auch das ist fesselnd.

 Beim Lesen wurden mir viele Personen immer unsympathischer. Der schwatzhafte Jim Cutter sowieso, seine Frau auch – auch den Bürgermeister, für den Jim Cutter früher mal gearbeitet hat, mag ich ebenfalls nicht. Er ist mir zu brutal. Der Ermittler Barry ist für mich zu blass, zu unscheinbar – er hat nicht die „mitreißende Persönlichkeit“, die ich von Ermittlern wie Wallander (das ist ein Ermittler der Krimis von Henning Mankell) oder Gunnar Barbarotti (das ist ein Ermittler des Krimi-Autors Hakan Nesser) kenne. So schleppten sich die Ermittlungen im Mord der Langleys dahin – viele Kapitel lang geschah nicht wirklich etwas, das den Mordfall aufklären konnte. 

 Nur mit Derek Cutter und den Langleys hatte ich Mitleid – mit Derek deswegen, weil er so viel Schlimmes erlebt hatte und damit rechnen musste, selbst als Mörder verdächtigt zu werden – und mit den Langleys, die so brutal hingerichtet wurden.

 Mein Fazit:

Ich hatte mir von diesem Buch mehr erwartet und bin enttäuscht. Ich suchte die Spannung, den „Nervenkitzel“ und fand ihn meistens nicht. Das ärgerte mich.

 Einen Stern vergebe ich für die Spannung im Prolog des Buches und am Schluss.

Einen Stern vergebe ich für die Personen, die mir Leid taten: Derek und die Langleys.

 Ich vergebe 2 Sterne und keine Leseempfehlung. .

Dieser Bericht erschien bereits in einer längeren Version bei der Verbraucherplattform Ciao.de im Jahre 2010, bei der ich unter meinem dortigen Nicknamen „Sydneysider47“ Rezensionen einstelle.