Zwischen Brüdern, Drogen und Schweigen

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lizzy305 Avatar

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Schon die wenigen Seiten der Leseprobe haben mich stark gepackt. Der Einstieg ist direkt und schonungslos: man erfährt gleich zu Beginn, dass der Bruder stirbt, und wird dadurch unmittelbar in die Geschichte hineingezogen. Dieser klare, fast lakonische Erzählstil wirkt sehr eindringlich und macht neugierig darauf, wie sich die Handlung entfalten wird.
Besonders gelungen finde ich den flüssigen, sehr gut lesbaren Schreibstil von Édouard Louis. Er schafft es, komplexe Themen in einer knappen, fast nüchternen Sprache zu transportieren, die dennoch eine enorme emotionale Wucht hat. Schon jetzt spürt man, dass hier keine beschönigende Familiengeschichte erzählt wird, sondern eine sehr persönliche, schmerzhafte Auseinandersetzung mit Vergangenheit, Verlust und der eigenen Herkunft.
Die Hinweise auf die Drogenvergangenheit des Bruders wecken sofort Fragen: Wie kam es dazu? Welche Rolle spielte die Familie, das soziale Umfeld? Und vor allem: warum ist das Verhältnis zwischen den Brüdern zerbrochen? Dieser angekündigte Bruch verspricht, zu einem zentralen Spannungsmoment des Buches zu werden, das nicht nur die Beziehung der Brüder, sondern die gesamte Familiendynamik beleuchtet.
Ich bin sehr gespannt, welche Themen Louis im weiteren Verlauf noch aufgreifen wird – sei es soziale Herkunft, Abhängigkeit, Gewalt oder Versöhnung. Die Leseprobe vermittelt jedenfalls schon jetzt das Gefühl, dass hier eine schonungslose und gleichzeitig berührende Erzählung wartet, die den Leser nicht unberührt lassen wird.