Ein Leben im Treibsand – Louis' Abschlusswerk seiner Familiengeschichte
Mit „Der Absturz“ schließt Édouard Louis den Kreis seiner Familienromane. Es ist das Porträt seines älteren Bruders – eines Mannes, der früh gestorben ist und dessen Leben zwischen Träumen und Abstürzen verlief. Aus dem Französischen übersetzt von Sonja Finck.
Der Bruder: 38 Jahre alt, körperlich gezeichnet von Alkohol und Perspektivlosigkeit, innerlich von Sehnsucht, Wut und Verletzung.
Er sucht Halt – im Alkohol, im Hass, in der Wut auf die Welt, die ihm nichts zugesteht. Diese Gefühle werden zu seiner Struktur, seinem einzigen Gerüst. Und doch erzählen die Erinnerungen der Ex-Partnerinnen auch von einem anderen Mann: einem, der, wenn er nüchtern war, als einer der freundlichsten und aufmerksamsten Menschen beschrieben wird.
Gerade diese Widersprüchlichkeit macht ihn so greifbar – und so tragisch.
Die distanzierte Beziehung zwischen den Brüdern ist kompliziert – von Gewalt, Ablehnung und Scham geprägt, aber auch von Momenten, in denen etwas wie Zuneigung aufblitzt.
Louis blickt zurück, spricht mit den Ex-Partnerinnen seines Bruders, versucht aus Erinnerungen, Beobachtungen und Gesprächen ein Bild zu formen, das keine Rechtfertigung ist, sondern Annäherung.
Was als sachliche Bestandsaufnahme beginnt, wird zunehmend zu einer leisen Suche nach Nähe. Louis’ Sprache bleibt dabei klar, fast spröde – und gerade dadurch so stark. Kein Pathos, kein Trost, nur die ungeschminkte Realität einer Familie, in der Liebe und Zerstörung eng ineinander greifen.
Er zeigt, wie sehr Herkunft die Möglichkeiten eines Menschen begrenzt. Wie schwer es ist, aus Armut und Ausgrenzung heraus ein anderes Leben zu führen. Und wie Schuldgefühle entstehen, wenn es einem selbst gelingt, zu entkommen – während andere zurückbleiben.
„Mein Bruder war an seinen Träumen erkrankt“, schreibt Louis.
Dieser Satz zieht sich wie ein Faden durch das Buch: ein Mann, der sich nach Anerkennung sehnt, der Kathedralen restaurieren und die Welt sehen will – und doch nie wirklich aufsteht. Ein Träumer, der scheitert, weil niemand an seine Träume glaubt.
Das Buchcover mit seinem weichen Farbverlauf von Rosa zu Gelb ist wie ein Symbol für jene Illusionen, die den Bruder getragen haben, bis sie sich völlig auflösen und er abstürzt.
Ein pastellfarbener, Kontrast zur thematischen Schwere des Textes, der visuell genau das zeigt, was Louis literarisch leistet: Schönheit im Schmerz sichtbar machen, mit poetischer Reduktion – nüchtern und berührend zugleich.
Eins meiner Highlight-Bücher in diesem Jahr und damit eine klare Leseempfehlung, denn Louis trifft direkt ins Herz.
Der Bruder: 38 Jahre alt, körperlich gezeichnet von Alkohol und Perspektivlosigkeit, innerlich von Sehnsucht, Wut und Verletzung.
Er sucht Halt – im Alkohol, im Hass, in der Wut auf die Welt, die ihm nichts zugesteht. Diese Gefühle werden zu seiner Struktur, seinem einzigen Gerüst. Und doch erzählen die Erinnerungen der Ex-Partnerinnen auch von einem anderen Mann: einem, der, wenn er nüchtern war, als einer der freundlichsten und aufmerksamsten Menschen beschrieben wird.
Gerade diese Widersprüchlichkeit macht ihn so greifbar – und so tragisch.
Die distanzierte Beziehung zwischen den Brüdern ist kompliziert – von Gewalt, Ablehnung und Scham geprägt, aber auch von Momenten, in denen etwas wie Zuneigung aufblitzt.
Louis blickt zurück, spricht mit den Ex-Partnerinnen seines Bruders, versucht aus Erinnerungen, Beobachtungen und Gesprächen ein Bild zu formen, das keine Rechtfertigung ist, sondern Annäherung.
Was als sachliche Bestandsaufnahme beginnt, wird zunehmend zu einer leisen Suche nach Nähe. Louis’ Sprache bleibt dabei klar, fast spröde – und gerade dadurch so stark. Kein Pathos, kein Trost, nur die ungeschminkte Realität einer Familie, in der Liebe und Zerstörung eng ineinander greifen.
Er zeigt, wie sehr Herkunft die Möglichkeiten eines Menschen begrenzt. Wie schwer es ist, aus Armut und Ausgrenzung heraus ein anderes Leben zu führen. Und wie Schuldgefühle entstehen, wenn es einem selbst gelingt, zu entkommen – während andere zurückbleiben.
„Mein Bruder war an seinen Träumen erkrankt“, schreibt Louis.
Dieser Satz zieht sich wie ein Faden durch das Buch: ein Mann, der sich nach Anerkennung sehnt, der Kathedralen restaurieren und die Welt sehen will – und doch nie wirklich aufsteht. Ein Träumer, der scheitert, weil niemand an seine Träume glaubt.
Das Buchcover mit seinem weichen Farbverlauf von Rosa zu Gelb ist wie ein Symbol für jene Illusionen, die den Bruder getragen haben, bis sie sich völlig auflösen und er abstürzt.
Ein pastellfarbener, Kontrast zur thematischen Schwere des Textes, der visuell genau das zeigt, was Louis literarisch leistet: Schönheit im Schmerz sichtbar machen, mit poetischer Reduktion – nüchtern und berührend zugleich.
Eins meiner Highlight-Bücher in diesem Jahr und damit eine klare Leseempfehlung, denn Louis trifft direkt ins Herz.