Ein hochspannendes, schwedisches Krimi-Debut

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evelynm Avatar

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„Wie weit kommt ein erfahrener FBI-Agent als Ermittler in der schwedischen Einöde?“
Diese Frage und nicht zuletzt der vielversprechende Klappentext haben meine Neugier sofort geweckt. Und ich muss sagen, dass ich nicht enttäuscht wurde und das Buch einfach nicht mehr aus der Hand legen konnte. Die beiden Autoren Mohlin und Nyström haben mich von der ersten Seite an mitgenommen nach Baltimore und Karlstad. Die beiden Handlungsstränge in der Gegenwart und der Vergangenheit (10 Jahre Abstand) sind so geschickt angelegt, dass ich immer weiter lesen musste, um zu erfahren, was es mit „Der andere Sohn“ auf sich hat. Dass von Anfang an klar war, dass der FBI-Agent John Adderley der Halbbruder von Billy, dem Hauptverdächtigen in einem Cold Case ist, hat die Spannung nicht geschmälert. Die Autoren haben die ganzen Krimi so gekonnt aufgebaut, dass viele mögliche Ermittlungsansätze oder gedachte Wahrheiten sich als Irrtum oder falsche Fährte erwiesen.
Da es sich hier um den Auftakt einer Krimireihe handelt, fand ich es sehr wichtig, dass die Leser*innen den im Mittelpunkt stehenden amerikanisch-schwedischen FBI-Agenten erst einmal kennenlernen. Ich kann mir diesen Mann mit seinen Schwächen und Stärken sehr gut vorstellen und hatte zwischendurch das Gefühl, ihn auch einmal schütteln zu müssen, wenn er leichtsinnig agierte. Er ist sicherlich nicht Schwiegermutters Liebling, aber auch kein Testosteron-gesteuerter Draufgänger. Seine Familie ist nicht unbedingt sympathisch und Empathie oder Liebe ist auch nicht im Übermaß vorhanden. John Adderley hat eine Lebensgeschichte, die ihn prägt und den Leser*innen eine Vorstellung von seiner Person und seinen Handlungen beschert. Ich finde, dass die Autoren den Spagat zwischen vielen Informationen zum Protagonisten und der Entwicklung der Geschichte/Cold Case sehr gut hinbekommen haben. Eine ganz besondere Gabe von John, die ich hier nicht verraten möchte, zeichnet ihn aus und macht mich jetzt schon sehr neugierig auf seinen nächsten Fall und die weitere Entwicklung, was auch seine Psyche anbelangt. John Adderley entkommt seiner Vergangenheit nicht, auch wenn er versucht, einen Ozean zwischen sich und dem Schicksal zu bringen.
Ich bin absolut begeistert von diesem ersten Teil einer neuen Krimiserie, denn die Geschichte hat alles, was einen guten Krimi für mich ausmacht: Spannung, einen ungewöhnlichen, aber nicht zu abgehobenen Hauptcharakter, Ermittlungen, die nicht immer linear verlaufen, Verwirrung, die die Leser*innen in die Irre führen und eine Portion Privatleben, das den Hauptcharakter menschlich macht und seine Reaktionen ein Stück weit erklären. Der Schluss hat zwar den aktuellen Fall geklärt, aber beinhaltet doch einen Cliffhanger.