Gute Idee, aber schwach umgesetzt

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
sleepwalker1303 Avatar

Von

„Der andere Sohn” ist der Auftakt zu einer Krimi-Serie des schwedischen Autoren-Duos Peter Mohlin und Peter Nyström. Der Klappentext war vielversprechend, aber leider hielt das Buch nicht ganz das das, was es versprochen hat.
Aber von vorn. 2019 muss der amerikanische FBI-Agent John Adderley nach einem missglückten Undercover-Einsatz mit einer neuen Identität ins Zeugenschutzprogramm. Dass er in sein Geburtsland Schweden zieht, ist nicht ganz regelkonform. Aber sein jüngerer Halbbruder Billy ist in Schwierigkeiten, denn er war 2009 der Hauptverdächtige in einem immer noch ungelösten Kriminalfall. Und jetzt wird der Cold Case um das Verschwinden der Millionärstochter Emelie Bjurwall wieder aufgerollt, von ihr fehlt seit zehn Jahren jede Spur, auch eine Leiche wurde nie gefunden. John heuert bei der schwedischen Polizei an und wird Teil des Ermittlerteams. Hin und hergerissen zwischen der Loyalität zu seinem Bruder, der Abneigung gegenüber seiner Mutter und den Zweifeln an Billys Schuld, stellt er eigene Nachforschungen an und nimmt die Leserschaft mit auf eine spannende Ermittlungsreise mit einem (zumindest für mich) überraschenden Schluss.
Die eigentlichen Protagonisten des Buchs sind der Ermittler John und Heimer, der Vater des verschwundenen Mädchens. Sie sind meiner Meinung nach auch die beiden am besten ausgearbeiteten Charaktere, die anderen sind eher eindimensional und fast lieblos beschrieben. Außerdem fand ich alle Personen sehr plakativ geschildert und keine konnte irgendwelche Sympathiepunkte bei mir gewinnen. Vor allem in Bezug auf John kann ich mit Fug und Recht sagen, dass ich noch selten ein Buch gelesen habe, in dem mir der Ermittler so unsympathisch war, wie er. Er ist zwar sehr intelligent und sicher ein kluger Ermittler, aber er ist auch arrogant und oberflächlich und manchmal konnte ich seine Handlungen absolut nicht nachvollziehen. Oft scheint er nach dem Motto zu handeln „alle blöd außer ich“. Außerdem erfüllt er auch jedes Klischee eines Amerikaners. So kauft er sich als erstes einen amerikanischen Straßenkreuzer, weil ihm der Kleinwagen als Dienstauto zu schlicht ist. Seine Heimatstadt Karlstad ist zwar eine Kleinstadt und sicherlich provinziell, aber er benimmt sich manchmal, als hätte es ihn in ein Entwicklungsland verschlagen.
Alles in allem fand ich den Krimi zwar gut konzipiert, aber thematisch vielleicht ein bisschen zu überladen. Es kommt sehr viel Privates des Ermittlers zur Sprache und auch der missglückte Undercover-Einsatz nimmt im ersten der vier Teile sehr viel Raum ein. Sprachlich ist das Buch gut zu lesen. Die Dialoge fand ich manchmal allerdings ein bisschen hölzern, aber insgesamt ist auch die Übersetzung gelungen.
Der Fall ist am Ende zwar gelöst, aber ein Cliffhanger hält die Spannung hoch und macht Lust auf den Folgeband „Die andere Schwester“. Trotz des unsympathischen Protagonisten und der Tatsache, dass das Buch sehr lang ist und die Spannung lange braucht, um Fahrt aufzunehmen, fand ich es durchaus gelungen und durch die vielen Wendungen etwa ab der Hälfte sehr spannend und der Schluss war für mich eine ziemliche Überraschung. Allerdings reicht das Buch im Genre Scandinavian Noir nicht an die Werke von Henning Mankell, Stieg Larsson oder Jussi Adler-Olsen heran, dafür fehlt die Finesse. Die Idee hinter der Geschichte ist wirklich gut, aber leider hapert es mit der Umsetzung der Serienauftakt ist für mich nicht wirklich gelungen. Vieles ist mir zu platt, klischeehaft und plakativ. Von mir daher drei Sterne.