Informativ und spannend, inhaltlich schwere Kost

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Kurzbeschreibung (Quelle: Verlagsseite)
Dresden, November 1944: Die Bevölkerung leidet unter den anhaltenden Kriegszuständen und den täglichen Entbehrungen. Flüchtlingsströme drängen in die Stadt. Bombenalarme gehören zum Alltag. Da wird Kriminalinspektor Max Heller zu einer grausam zugerichteten Frauenleiche geholt. Schnell geht das Gerücht um: Das war der Angstmann, der nachts durch die Gassen schleicht. Heller gibt nichts auf das Gerede. Inmitten der Wirren des letzten Kriegswinters macht er sich auf die Suche nach einem brutalen Frauenmörder. Nicht nur sein linientreuer Vorgesetzter Rudolf Klepp legt Heller dabei Hindernisse in den Weg. Als im Februar 1945 die Stadt in einem beispiellosen Bombenhagel dem Erdboden gleichgemacht wird, hält man auch den Mörder für tot. Doch der Angstmann kehrt zurück ...

Autor (Quelle: Verlagsseite)
Frank Goldammer, 1975 in Dresden geboren, ist Maler- und Lackierermeister. Mit Anfang zwanzig begann er zu schreiben, verlegte seine ersten Romane im Eigenverlag und schrieb drei erfolgreiche Regionalkrimis über Dresden und Umgebung. Er ist alleinerziehender Vater von Zwillingen und lebt mit seiner Familie in Dresden.

Allgemeines
Erscheinungstermin: 23.09.2016 im dtv-Verlag, TB mit Klappbroschüre, 336 Seiten
Zwei Hauptteile mit nicht-nummerierten Kapiteln, jeweils mit Datum und Tageszeit überschrieben – „Frank Goldammer im Gespräch“ (Interview)
Erzählung in der dritten Person aus der Perspektive des Protagonisten Max Heller
Handlungsort und -zeit: Teil 1 - Dresden zwischen November 1944 und Februar 1945, Teil 2 – Dresden im Mai 1945

Zum Inhalt
Dresden, 1944: Im letzten Jahr des Zweiten Weltkriegs zeichnet sich die kommende Niederlage Deutschlands bereits ab, aber die Nationalsozialisten wollen dies nicht wahrhaben und verbreiten – auch über den Rundfunk – immer noch Siegesparolen. Wer am „Endsieg“ zweifelt, tut gut daran, dies nicht verlauten zu lassen, denn man kann überall bespitzelt und denunziert werden.
Als in Dresden Frauen ermordet werden, deren mit einem Messer brutal zugerichtete Leichen an verschiedenen Orten aufgehängt, bzw. „aufgespannt“ aufgefunden werden, nimmt sich Kriminalinspektor Max Heller des Falles an. Heller steht bei seinem Chef, dem Obersturmbannführer Rudolf Klepp, ohnehin nicht in gutem Ansehen, da er nicht in die Partei eingetreten ist, auf Bemerkungen über deutsches Heldentum einsilbig reagiert und gelegentlich den Hitlergruß zu zeigen vergisst. Die Spannungen zwischen den Männern nehmen zu, als Klepp seinen Untergebenen bei den Ermittlungen im Falle des von der verunsicherten Bevölkerung „Angstmann“ genannten Mörders behindert.
Der Angstmann geht in den Nächten um, in denen Fliegeralarm herrscht, deshalb patrouillieren Heller und zwei Kollegen regelmäßig durch die nächtlichen Straßen. Am 13.Februar ist er dem Mörder dicht auf den Fersen, doch dann folgt dem Alarm ein verheerender Luftangriff, der die Stadt in Trümmer legt. Heller, selbst nur knapp mit dem Leben davongekommen, ist davon überzeugt, dass der Angstmann umgekommen ist, doch nach Kriegsende geht das Morden weiter…

Beurteilung
Der vorliegende Roman geht über die Geschichte eines Serienmörders weit hinaus, denn die Schilderung der Morde ist in einen gut recherchierten historischen Kontext eingebettet. Die desolate Lage in Dresden – auch schon vor der Zerstörung der Stadt – wird sehr eindringlich geschildert. Heller und seine Frau Karin bekommen auf ihre Essensmarken kaum das Nötigste an Nahrung und Heizmitteln, sie leben beengt und müssen allnächtlich damit rechnen, im Keller Unterschlupf zu suchen, sobald die Sirenen ertönen. Ihre beiden Söhne sind an der Front, sodass die Sorge um deren Leben erschwerend dazukommt. Für Heller kommen noch die Querelen an seiner Arbeitsstelle dazu; der integre Mann, der nichts von der nationalsozialistischen Ideologie hält und einfach nur seine Arbeit machen will, wird von seinem Chef und einem Kollegen, dem SS-Mann Strampe, drangsaliert.
In den beiden Hauptteilen schildert der Autor zunächst das harte Leben der Zivilbevölkerung im letzten Kriegsjahr und anschließend die Zustände unter der russischen Besatzungsmacht nach Kriegsende. Dabei wird das oft brutale Vorgehen der Russen realistisch dargestellt, jedoch auch deren Perspektive geschildert, sodass der Leser den Hass der Russen auf Deutschland gut nachvollziehen kann. Beispielhaft dafür ist die Figur der russischen Soldaten Saizev, der trotz seines Hasses auf die Deutschen zu Hellers Verbündetem wird, um den Angstmann und untergetauchte Nazis aufzuspüren.
Auch die Charaktere der anderen Romanfiguren sind gut ausgearbeitet, wobei die Begegnung mit fanatischen Nazis (Klemp, Strampe) ziemlich beklemmend ist.
Insgesamt ist die Thematik schwer verdaulich, denn die Untaten der Nationalsozialisten kommen recht deutlich zur Sprache. Demzufolge bietet „Der Angstmann“ keine leichte Unterhaltung und lässt sich nicht so schnell herunterlesen, obwohl der Erzählstil sehr flüssig und anschaulich ist.

Fazit
Gut recherchiert, informativ und spannend, stilistisch flüssig, aber inhaltlich schwere Kost!
4,5 Sterne