Max Heller und der Wahnsinn des Krieges

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evelynm Avatar

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Dresden, November 1944:
Die Stadt wird von Flüchtlingen und Kriegsverletzten überschwemmt und die Angst geht um. Keiner vertraut dem anderen und ist auf der Hut vor Denunzianten. Während die Einwohner Dresdens ums Überleben kämpfen, für Lebensmittel stundenlang und oft sogar erfolglos anstehen, immer mehr Flüchtlinge die Stadt überschwemmen und die SS nach wie vor an den deutschen Sieg glaubt, wird eine brutal ermordete, junge Krankenschwester aufgefunden. Sein linientreuer Vorgesetzter Obersturmbannführer Klepp tut den Mord als Tat eines Durchreisenden ab und der Pathologe Dr. Schorrer betrachtet die Tote nur recht flüchtig. Doch Max Heller sieht es gerade in den Kriegswirren als seine Aufgabe, jedem Verbrechen mit der nötigen Sorgfalt nachzugehen. Es hält sich das Gerücht vom „Angstmann“, der angeblich diejenigen ermordet, die bei Alarm nicht rechtzeitig im Keller verschwinden.

Für mich ist die Idee dieses Kriminalromans, die Jagd nach einem brutalen Frauenmörder mitten im kriegsgebeutelten Dresden neu und ich bin begeistert, welchen verwicklungsreichen Kriminalroman der Autor mit „Der Angstmann“ geschaffen hat. Da er selbst ein Dresdner ist, hat er eine grandiose Beschreibung der Stadt abgeliefert. Die Gräuel der Bombennacht und des Krieges beschreibt er ohne große Brutalität und schafft es trotzdem, die Stimmung, die Ängste und den Überlebenskampf in jenen Tagen „erfahrbar“ zu machen.

Kriminalinspektor Max Heller ist ein starker, engagierter und hartnäckiger Charakter und bringt sich bei seinen Ermittlungen selbst in größte Gefahr. Doch seine Hartnäckigkeit kann ihm nicht einmal seine Frau nehmen. Er hat selbst im 1. Weltkrieg gekämpft, woran ihn seine Verletzung am rechten Fuß immer wieder erinnert und seine beiden Söhne sind nun selber an der Front. Max Heller hat schon viel Schreckliches gesehen, ist aber dennoch nicht abgestumpft, was ihn zusätzlich sympathisch macht. Bei seinen Ermittlungen werden ihm jedoch immer wieder Steine in den Weg geworfen und die Aufklärung des Mordes scheint nur ihn zu interessieren. Kriminalinspektor Heller steht nicht nur vor einem schwierigen Fall ohne große Spuren oder Zeugen, sondern auch vor Personalmangel und Vorgesetzten, die gegen ihn intervenieren, vor allem sein Vorgesetzter Klepp. „Ich bin Max Heller“ dieses Zitat aus dem Buch sagt so vieles über ihn aus: er ist leidenschaftlicher Kriminaler, kann mit der Politik nur wenig anfangen und will sich nicht von seinen eigenen Überzeugungen abbringen lassen. Auch wenn er sich für die Aufklärung der Morde mit den russischen Besatzern einlässt und dafür sogar „angegriffen“ wird, bleibt er sich selbst treu.

Frank Goldammer ist es gelungen, die Spannung bis zu den letzten Seiten so aufzubauen, dass nicht nur Max Heller immer wieder im Dunkeln tappt und umdenken muss, sondern auch der Leser wird auf falsche Fährten gesetzt. Ich hoffe sehr, dass ich weiterhin von Max Heller lesen werde und ihn bei der nächsten Ermittlung begleiten darf. Schließlich heißt es in einer kurzen Anmerkung, dass es der erste Fall des Kriminalinspektors Max Heller sei. Das Buch zeigt auch, wie durch Gerüchte, Ängste geschürt und von den unterschiedlichsten Menschen in einer Zeit voller Zerstörung, Entbehrungen, Überlebenskampf, Flüchtlingen und Verrat schamlos und brutal ausgenutzt werden. Am Ende des Buches habe ich mir wirklich die Frage gestellt: „Wie viel ist ein Menschenleben wert, wenn die Welt in Trümmern liegt?

Frank Goldammer gelingt es, den Wahnsinn der letzten Kriegstage darzustellen. In Zeiten, in denen ein falsches Wort den Tod bedeuten kann, macht auch noch das Gerücht über Dämonen und den „Angstmann“ die Runde und Heller muss einen kühlen Kopf bewahren, um einem grausamen Frauenmörder das Handwerk zu legen. Währenddessen strömen tausende Flüchtlinge in die Stadt, in der es bereits an allem Notwendigen mangelt und in der die SS, allen voran Klepp, die letzten Judenhäuser räumen lässt und nach wie vor an Hitler festhält. Keiner traut mehr dem anderen über den Weg. Ein außergewöhnlicher, starker, nervenaufreibender und bis zur letzten Seite spannender Krimi mitten im Wahnsinn des Kriegswinters 1944/1945.