Wer ist der "Angstmann", der Dresden in Angst und Schrecken versetzt?

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bellis-perennis Avatar

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Frank Goldammer entführt seine Leser in das Dresden von 1944, in eine Zeit, in der jeder sich selbst der Nächste ist, jeder jedem misstraut und die geprägt ist von Durchhalteparolen.

In diesem düsteren Umfeld wird die verstümmelte Leiche der Krankenschwester Klara von zwei Kindern gefunden. Verstört erzählen sie vom „Angstmann“ und von tierischen Lauten. Kriminalinspektor Max Heller soll den Fall möglichst schnell lösen, doch seine Recherchen im Krankenhaus bringen ihn nicht weiter. Sein Vorgesetzter Rudolf Klepp, ein ehemaliger Fleischhauer und SS-Mitglied, spielt eine recht undurchsichtige Rolle.
Heller, kein Parteigänger, ist auf sich allein gestellt. Immer in Gefahr, selbst in die Mühlen der Gestapo zu geraten, weiß er nicht, wem er noch trauen darf, daher agiert er äußerst vorsichtig und wagt Alleingänge. Als dann eine weitere Tote gefunden wird, machen sofort neue Gerüchte die Runde.

In der Nacht vom 13. Februar 1945 scheint er dem Mörder tatsächlich dicht auf den Fersen zu sein, da macht ihm der Angriff der RAF-Bomber, der Dresden in Schutt und Asche legt, einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. Der mutmaßliche Mörder entkommt und das Morden geht weiter. Selbst als die Russen in Dresden die Macht übernehmen, gibt Max Heller nicht auf und ermittelt weiter.
Mit Hilfe der Russen kommt er dann einigem auf die Spur, das einen Teil der Grausamkeiten der Naziherrschaft aufdeckt.

Beklemmend ist die Darstellung des historischen Umfelds. Das Misstrauen der Menschen, die gleichzeitige Begeisterung von einigen wenigen Unverbesserlichen für das Regime, die Hoffnung auf die Wunderwaffen, obwohl zu dieser Zeit der Krieg längst verloren ist, der tägliche Kampf ums Überleben. Ich konnte die Sirenen förmlich heulen hören, spürte den Einschlag der Bomben und die infernalische Feuersbrunst hautnah miterleben. Möglicherweise liegt es auch daran, dass ich schon mehrere Bücher zu diesem Thema gelesen habe.

Ich finde den Debüt-Krimi des Autors außerordentlich packend. Der Schreibstil ist sachlich und dennoch eindringlich. Goldammer gelingt es, die Kriegsgräuel einzufangen ohne sensationslüstern zu wirken.

Heller mag reserviert wirken, doch dies ist einfach der Angst geschuldet, selbst in die Fänge des Nazi-Terrors zu geraten. Ich halte ihn nicht für distanziert, sonst würde er sich nicht solche Mühe geben, die Morde aufzuklären.

Interessant ist der Ansatz Hellers, trotz der Auflösung der Staatsgewalt, zumindest diesen Mordopfern Genugtuung angedeihen zu lassen. Die vielen Kriegsopfern und Toten des Regimes können sie nicht erfahren.