Bildhaft und lebendig

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singstar72 Avatar

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Ich bin überrascht, und zwar positiv! Dieses Buch scheint keine übliche platte Promi-Lebensbeichte zu sein, sondern ein recht vielschichtiges und qualitativ hochwertiges, literarisches Werk.

Es beginnt mit einem sehr kurzen Prolog, in welchem der 6jährige Christian auf einem Zaun sitzt, und gerade eben noch die Abholzung „seines“ Apfelbaumes verhindert. Schon hier schwingt mit, dass ein wichtiger Lebensabschnitt zu Ende geht.

Es setzt sich fort mit seiner verwitweten Mutter, und ihrer Entwicklung (oder besser: ihrem Abbau) im Alter. Sehr eindringlich schildert er, wie seine Mutter langsam in die Demenz abgleitet. Das ist nicht effekthascherisch beschrieben, sondern eher mitfühlend. Und außerdem ziemlich zutreffend! (Das kann ich aus beruflicher Sicht bestätigen.)

Danach gibt es einen Schwenk, offenbar in die Jugend seiner Mutter. Die Erzählweise wird hier ein wenig unsicherer, breiter gefächert. Erzählt wird nicht mehr aus einer dritten Perspektive, sondern aus der der Mutter selbst. Sie hat offenbar drei Ehemänner gehabt, und mit keinem lief es wirklich rund. Es scheint im Wesentlichen eine von Frauen bestimmte Welt gewesen zu sein. Frauen hielten zusammen, tauschten sich aus. Ganz herrlich deutlich wird das durch das „Berlinern“. Weeste!
Hier bricht die Leseprobe ab.

Ich bin ein klein wenig im Zwiespalt, wie ich das bisher Gelesene bewerten soll. Denn beworben wird das Buch als die „Geschichte seiner Familie“, also derjenigen von Christian Berkel; in einer kurzen Widmung ganz zu Anfang betont er jedoch, dies sei alles fiktionalisiert. Eine Vorsichtsmaßnahme? Bis jetzt schien sich auch alles sehr auf die Mutter zu konzentrieren, was vermutlich verständlich ist, da der Vater schon früh im Krieg fiel. Tja, und welche Rolle spielt nun der Apfelbaum?

Es gibt manche offenen Fragen. Doch von der Erzählweise bin ich sehr angetan. Leise poetisch, aber doch realistisch. Und vor allem die Sicht der Frauen scheint mir sehr gelungen! Ich freue mich auf dieses Buch.