Die Geschichte einer großen Liebe und eines Verrats

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
buecherfan.wit Avatar

Von

In Anja Jonuleits neuem Roman “Der Apfelsammler” geht es um zwei Frauen: Elisabeth Christ genannt Eli und ihre Nichte Hannah. Die etwa 30jährige Hannah hat seit über fünf Jahren eine sehr unbefriedigende Beziehung zu dem verheirateten Martin, der ihr eben eröffnet hat, dass die gebuchte gemeinsame Reise nicht stattfinden wird, weil seine Frau Susi erkrankt ist und er sich um die Kinder kümmern muss. Hannah beendet die Beziehung. Sie hat gerade durch einen Anruf aus Italien erfahren, dass ihre geliebte Tante Eli plötzlich verstorben ist. Eli hatte die 9jährige Hannah nach dem tödlichen Autounfall ihrer Eltern aufgenommen und mit ihr auf dem Einödhof in der Nähe des Bodensees gelebt, der auch das Elternhaus der Schwestern Elisabeth und Sophie war. Hannah fühlt sich schuldig, weil sie ihre Tante nie mehr besucht hat, nachdem sie gut ein Jahr zuvor nach Castelnuovo in Umbrien gezogen war.

Hannah wird von den Einwohnern des kleinen Ortes teils freundlich, teils feindselig empfangen. Sie stellt fest, dass sie nur sehr wenig über das Leben ihrer Tante in den letzten Jahren weiß. Vor allem versteht sie nicht, warum Eli in das baufällige Haus in diesem langweiligen Kaff gezogen ist. Dann findet sie im Abfall vier zerknüllte Seiten eines langen Briefes, in dem Eli eine Art Lebensbeichte ablegt. In Elis Leben hat es offensichtlich einen Mann gegeben und sogar eine Schwangerschaft. Obwohl Hannah eine ganze Nacht lang jeden Winkel des Hauses durchsucht, findet sie den Rest des Briefes nicht. Sie hat es nun jedoch überhaupt nicht mehr eilig, das Haus zu verkaufen und nach Hause zurückzukehren. Hannah möchte mehr über ihre Tante erfahren und sucht den Kontakt zu ihren Bekannten, vor allem auch zu dem eigenbrötlerischen Apfelsammler Matteo di Luca, der alte Obstsorten sammelt und züchtet. Sie bietet ihm ihre Hilfe bei der Ernte an und erforscht auch seinen rätselhaften persönlichen Hintergrund. Matteo und Hannah kommen sich allmählich näher.

Anja Jonuleit ist eine berührende Geschichte gelungen, die sie abwechselnd in mit Hannah und Eli überschriebenen Kapiteln erzählt. Dabei betreffen die Kapitel um Hannah die Erzählgegenwart, Hannahs Nachforschungen und Erlebnisse vor Ort. Die Eli-Kapitel erzählen Elis Geschichte von der harten Kindheit mit dem gewalttätigen, alkoholsüchtigen Vater, der schwachen Mutter und der verwöhnten jüngeren Schwester Sophie über ihre Flucht aus dem Elternhaus im Alter von 18 Jahren und der Berufstätigkeit als Angestellte im diplomatischen Dienst bis zu dem letzten Lebensabschnitt in ihrem Haus in Umbrien.

Diese Lebensgeschichte erfährt allerdings zunächst nur der Leser. Hannah findet keineswegs einen Stapel alter Brief im Haus und liest zeitgleich mit. Sie erreicht den Informationsstand des Lesers erst ganz zum Schluss, als ihr das Manuskript ausgehändigt wird, nachdem sie alle Puzzleteile zusammengesetzt und Elis Geheimnis erraten hat. Bis auf diese merkwürdige Konstruktion finde ich den Roman gelungen und lesenswert, zumal die Liebe der Autorin zu Italien und zur italienischen Sprache überall deutlich wird.