Ein schönes Buch, das beinahe ein tolles Buch geworden wäre

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sursulapitschi Avatar

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Anfangs fand ich dieses Buch grandios.
Man erfährt in zwei Zeitebenen die Geschichte von Hannah und ihrer Tante Eli, die beide in ihrer Kindheit Schreckliches erlebt haben.
Eli wächst auf einem Einödhof im Süddeutschland der 60er Jahre auf. Der Vater ist ein Trinker, der brutal seine Familie prügelt und meint, Kinder müssten auf dem Hof arbeiten und Schulbildung sei für Mädchen unwichtig. Da verliebt sich Eli in einen italienischen Gastarbeiter.

Parallel reist Hannah nach Italien, um Elis Haushalt nach ihrem Tod aufzulösen. Dabei findet sie Hinweise auf Elis Vergangenheit, lernt Elis Freunde und Nachbarn kennen, und dann ist da noch ein unzugänglicher Mann, der alte Obstsorten züchtet.

Das Buch ist wunderbar atmosphärisch geschrieben. Man spürt den Geist der 60er Jahre in Deutschland, leidet und liebt mit Eli, erlebt Italien, als wäre man dort und riecht den Duft alter Apfelsorten.
Die Seiten fliegen dahin. Die Perspektiven wechseln oft in sehr kurzen Kapiteln. Damals und Heute verschwimmt zu einer Einheit. Das Buch ist fesselnd, bis sich Hannah verliebt und von einer originellen, selbstständigen Frau zum eifersüchtigen, unbeholfenen Mäuschen mutiert. Ihre Handlungsweise im letzten Drittel des Buches ist unsagbar peinlich. Man hat das Gefühl, plötzlich ein anderes Buch zu lesen.

Was als tragische, nachvollziehbare Familiengeschichte beginnt, endet als übel konstruiertes Liebesdrama. Jammerschade.
Wie bewerte ich das jetzt? Zwei Drittel verdienen satte 5 Sterne, das letzte Drittel höchstens zwei...
Das sind dann wohl vier Sterne für ein schönes Buch, das beinahe ein tolles Buch geworden wäre.