Eine unerwartete Lösung

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ilonar. Avatar

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Vor vielen Jahren habe ich auf Empfehlung des Verlagsvertreters das Buch „Herbstvergessene“ von Anja Jonuleit mit Begeisterung gelesen.
Beim „Apfelsammler“ fühle ich mich erinnert an das Lesen damals, erinnert an eine sehr eigene Stimmung, die Anja Jonuleit ihren Büchern offensichtlich mitgeben kann, erinnert aber auch ein ganz klein wenig an die damalige Protagonistin auf der Suche nach der eigenen Vergangenheit.
Im „Apfelsammler“ begibt sich Hannah auf die Suche, allerdings weniger der eigenen als der Vergangenheit und dem Leben ihrer Tante Eli, bei der Hannah aufgewachsen ist. Nun ist Eli in ihrem Häuschen in Italien verstorben und Hannah hat dieses Haus geerbt. Eigentlich will sie es nur ausräumen und dann verkaufen, aber wie auch im wirklichen Leben kommt es manchmal ganz anders als man selbst denkt. Ganz offensichtlich hat Eli ihr Leben in Briefen bzw. in einem Brief festgehalten, von dem Hannah nur einige Seiten in die Hände fallen. Fortan ist die Suche nach den restlichen Seiten ein Teil ihres Alltags. Und ein Teil ihres Alltags wird auch schon bald ihre Mithilfe auf dem Hof von Matteo, einem eigenbrötlerisch wirkenden Aussteiger, der sich dem Erhalt alter Apfel- und weiterer Obstsorten verschrieben hat. So wie zuvor ihre Tante geht Hannah Matteo zur Hand, auch wenn dieser ihre Hilfe vielleicht gar nicht will. Auf jeden Fall verschweigt er einiges über sein früheres Leben, doch Hannah ist entschlossen, auch hier mehr zu erfahren als Matteo preiszugeben bereit ist.
Das Buch wird in zwei sich abwechselnden Erzählsträngen erzählt, zum einen lesen wir Hannahs Geschichte heute, zum anderen sind wir als Leser Hannah ein Stück weit voraus, denn wir kennen die geheimnisvollen Briefe schon – Stück für Stück von Eli selbst erzählt erfahren wir ihr Leben. Aber an wen hat Eli diese Briefe gerichtet, das bleibt vorläufig verborgen. Beeindruckender als die heutige Geschichte fand ich Elis Aufwachsen in den Sechzigern auf einem Einödhof im Schwäbischen. Der Vater dem Alkohol zugeneigt und in der Folge auch gewalttätig, die Mutter eine Frau die diesem Mann nicht entgegensetzt und damit auch die Töchter, nicht schützen kann. Wobei Elis jüngere Schwester von den Eltern anders als sie selbst behandelt wird. Ihr wird vieles mehr erlaubt, sie ist der Liebling vor allem des Vaters. Nur dem Zuspruch des Pfarrers verdankt es Eli, dass sie eine ordentliche Schulausbildung bekommt und später auch mit beruflichem Erfolg aufwarten kann, der sie als Mitarbeiterin des Auswärtigen Amtes in verschiedene Länder führt. Im Alter von 17 Jahre lernt Eli Giorgio kennen, einen der frühen italienischen Gastarbeiter in Deutschland. Sie verliebt sich und trifft sich heimlich mit ihm, schließlich wird sie von ihm schwanger. Wenige Tage nach der geheim gehaltenen Geburt nimmt der Vater Eli das Kind weg und verrät bis zu seinem Tod nicht, was mit Johannes passiert ist.

Hannah ist die Tochter von Elis jüngerer Schwester, die gemeinsam mit ihrem Ehemann bei einem Unfall ums Leben kommt, als Hannah 9 Jahre alt ist. Eli nimmt das Kind zu sich und ab hier weiß Hannah auch über Elis Leben Bescheid. Was vorher war, versucht sie jetzt nach dem Tod der Tante in Erfahrung zu bringen und Stück für Stück zu verbinden. Eine spannende Spurensuche beginnt, die mit Italien mehr Verbindungen zu Tage fördern wird als nur dieses Sommerhäuschen in Umbrien. Und welche Rolle hat Matteo in diesem Spiel? Matteo, in den Hannah sich ganz offensichtlich verliebt hat. Lange bevor sie selbst sich dieses eingesteht, wissen es bereits die Leser und so wundert es einen nicht, dass man diese Hannah manchmal geradezu schütteln möchte, weil sie Naheliegendes einfach nicht sieht. Die Lösung ist eine überraschende, aber bis es soweit ist, darf man sich als Leser auf einen heiteren, nicht flachen und sehr spannend erzählten sommerlichen Italienroman freuen.