Geschichte zweier starker Frauen

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Zwei Frauen, Elisabeth, genannt Eli, und Hannah, zwei Generationen, Tante und Nichte, zwei Frauen mit vielen Geheimnissen. Lange kannten sich die beiden nicht, da Eli als 18jährige das Elternhaus verlassen hat - im Streit mit dem boshaften und prügelnden Vater und der schreckhaften, sich nicht einmischenden Mutter. Eli hat ihren Weg gemacht, war ab den 1960er Jahren im Auswärtigen Amt beschäftigt und ist viel in der Welt herumgekommen.
Zurück nach Mosisgreuth ist sie nur nach dem Tod des Vaters und zur Beerdigung der Mutter - allerdings weiterhin ungeliebt von den Verwandten. Sonst gab es keinen Kontakt - vielleicht typisch für die scheinbar ländliche Idylle, in der Eli und Sophie, Hannahs Mutter, aufgewachsen sind.
Erst als beide Eltern Hannahs sterben, kommt Eli zurück - und fällt spontan die Entscheidung, von nun an als Mutterersatz für Hannah zu fungieren - und das auf dem Einödhof, den sie viele Jahre zuvor im Schrecken verlassen hat.
Elis Geschichte erfährt der Leser in Jonuleits "Der Apfelsammler" aus einem langen Brief. In diesem schreibt sie über ihre große Liebe, über Giorgio, den "kleinen Italiener", der Anfang der 1960er Jahre als Gastarbeiter an den Bodensee gekommen ist.
Dazwischen wird die Geschichte Hannahs erzählt. Auch sie war verliebt - in einen verheirateten Mann. Dass diese Liaison keine Zukunft hat, wird ihr zwar spät, aber nicht zu spät klar. Zu spät allerdings fährt sie in das kleine umbrische Dorf, in dem Eli sich ein ziemlich verfallenes Sommerhaus gekauft hat. Denn Eli ist inzwischen verstorben. Hannah bleibt jedoch in Italien und lernt den "Apfelsammler" kennen, einen genauso attraktiven wie wortkargen Mann, der es sich zum Ziel gesetzt hat, alte Apfel-, Birnen- und Quittensorten anzubauen und sie so zu retten.
Dieses Ansinnen, so schreibt Jonuleit in ihrem kurzen Nachwort, war einer der Hauptgründe, diesen Familienroman zu schreiben. Allerdings bleibt die Idee dahinter seltsam unklar. Und das ist schade, sind doch nicht nur alte Obst-, sondern auch alte Gemüsesorten schützenswert. Und es gibt viele Menschen, die sich diesem Schutz verschrieben haben. Ich hätte mir einfach ein paar mehr Informationen gewünscht.
Insgesamt hätte ich mir vom Roman etwas mehr erwartet, insbesondere nach der ersten Hälfte. Das momentan so oft benutzte Momentum, dass die Protagonisten nicht miteinander sprechen, widerspricht meinem Naturell und meinen grundlegenden Ansichten. Ich reagiere beim Lesen dann immer mit dem Hinweis (der nichts bringt - ich weiß): Nun redet doch miteinander. Und wenn die Geschichte so wie hier auf so viel nicht-miteinander-reden aufgebaut ist, ist sie für mich leider ziemlich unlogisch.
Unlogisch finde ich auch die Verquickungen, die sich nach und nach ergeben, so dass ich mich durch den "Apfelsammler" zwar gut unterhalten gefühlt, trotzdem mehr erwartet habe.