Zwei Frauen – zwei Schicksale

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herbstrose Avatar

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Eigentlich hat Hannah ganz andere Probleme, hat sie doch gerade eine langjährige Beziehung beendet, als sie vom Tod der bisher wichtigsten Person ihres Lebens erfährt – ihrer Tante Elisabeth, die sie aufgezogen und ihr eine unbeschwerte Kindheit beschert hat. Nun fährt sie nach Castelnuovo, einem kleinen Dorf in Umbrien, wo Eli in einem alten Häuschen ihre letzten Lebensjahre verbracht hat. Beim Aufräumen und Sichten des Nachlasses entdeckt Hannah einige Notizen und Fragmente von Briefen, in dem Eli ihre Lebensgeschichte erzählt. Neugierig geworden macht sich Hannah auf die Suche und befragt Freunde und Nachbarn. Dabei erfährt sie auch von Matteo DiLauro, den sie im Dorf nur den Apfelsammler nennen, weil er alte Apfelsorten züchtet und sie so vor dem Aussterben bewahrt. Ihm soll Eli zur Hand gegangen sein und ihm bei der Apfelernte geholfen haben. Doch der eigenbrötlerische, geheimnisumwitterte Mann ist von Hannahs Auftauchen gar nicht begeistert und will auch ihre Hilfe nicht annehmen - er jagt sie von seinem Grundstück. Doch Hannah lässt sich nicht entmutigen, Matteo und seine Apfelplantage ziehen sie magisch an …

Anja Jonuleit wurde 1965 in Bonn geboren, wuchs am Bodensee auf, studierte Sprachen in München und war ab 1992 als Übersetzerin und Dolmetscherin für Italienisch und Englisch tätig. Sie lebte und arbeitete im Ausland, bevor sie 1994 an den Bodensee zurückkehrte. Mit 35 Jahren begann sie zu schreiben und hat inzwischen zahlreiche Romane und Krimis veröffentlicht. Sie ist Mutter von vier Kindern und lebt heute mit ihrer Familie am Bodensee.

„Der Apfelsammler“ ist die Geschichte zweier Frauen, der 31jährigen Journalistin Hannah und ihrer bereits verstorbenen Tante Eli (Elisabeth). Erzählt wird parallel in zwei Handlungssträngen, die in der Gegenwart und in der Vergangenheit angesiedelt sind und sich kapitelweise abwechseln. Während man als Leser Hannah bei ihren Erlebnissen auf der Suche nach Elis Briefen begleitet, liest man bereits die Briefe, ohne jedoch zu wissen, an wen diese gerichtet sind und wo sie zu finden sind. Man erfährt dabei erschütternde Einzelheiten von Elis Kindheit in einem lieblosen Elternhaus, von ihrer großen Liebe, von einem bisher gut gehüteten Geheimnis und taucht so Schritt für Schritt immer tiefer in ihr Leben ein. Währenddessen hat auch Hannah ihre Probleme. Das ererbte Haus ist alt und baufällig, nicht alle Nachbarn sind ihr wohlgesonnen und das Verhältnis zu Matteo, mit dem Eli wohl eine ganz besondere Freundschaft verband, läuft auch nicht wie gewünscht.

Die Autorin Anja Jonuleit hat einen sehr lebendigen, flüssigen Schreibstil. Ihre bildhafte Sprache erfasst Szenen und Landschaften äußerst treffend und schafft eine mitreißende Atmosphäre. Auch die Gefühle der beiden Protagonistinnen sind gut nachvollziehbar. Durch die zwei Zeitebenen, die sich immer mehr aufeinander zu bewegen, baut sich ganz allmählich Spannung auf. Leider wird die bisher erfreuliche Stimmung gegen Ende zu unangenehm gestört. Die Autorin hat, wohl aus dramaturgischen Gründen, die es aber keinesfalls gebraucht hätte, einige Szenen eingebaut, die aus einem billigen Groschenroman stammen könnten und die ich als völlig unpassend empfunden habe. Leider wird der bisher so angenehme Eindruck dadurch etwas gemindert.

Fazit: Ein gut gelungener Roman über Frauen für Frauen – einfühlsam und fesselnd erzählt.