Bavaria in Istanbul

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bavaria123 Avatar

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Worum geht es?
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Es ist einfacher, eine Brücke einzureißen, als eine zu bauen.
Istanbul im 16. Jahrhundert. Es ist die Blütezeit des Osmanischen Reichs, die Stadt das wimmelnde Zentrum des Orients, als Jahan auf einem Schiff im Hafen anlegt. Aus dem fernen Indien angereist, führt er einen weißen Elefanten mit sich, ein Geschenk seines Schahs für die Menagerie des Sultanspalasts.
So beginnt ein episches Abenteuer, in dem sich der aus ärmlichen Verhältnissen stammende Junge plötzlich im Herzen des mächtigen Reichs wiederfindet, inmitten des Prunks und des Reichtums. Ihm begegnen hinterlistige Höflinge, falsche Freunde, Zigeuner, Tierbändiger und die schöne Prinzessin Mihrimah. Doch es ist die Begegnung mit dem Hofarchitekten Sinan - dem berühmtesten Baumeister der islamischen Welt -, welche Jahans Schicksal für immer verändern wird. Gemeinsam bauen sie Moscheen und Paläste, Mausoleen und Aquädukte, die alle Zeiten überdauern sollen. Doch hinter Jahans neuem Glück lauern Intrigen und Kriege, deren Zerstörungswut größer scheint als alles Bestreben, Neues zu schaffen.
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Meine Meinung
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Das dicke Buch kommt ganz schmuck daher. Es hat zwar ein eher schlichtes Cover, aber es ist ein sehr schönes und ansprechendes.

Der Leser wird mitgenommen in das Istanbul im Jahre 1574. (Meiner Meinung nach hieß der Ort da noch Konstantinopel, oder?).
Jahan, ein älterer Mann erzählt in der Retroperspektive seine Geschichte. Und diese hat es in sich – in vielerlei Hinsicht. Er hat sich von einem naiven 12jährigen Jungen, der von seinem Vater geschlagen wurde und dessen Mutter früh starb zu einem weisen, mutigen Mann entwickelt. Sein Charakter ist sehr schön beschrieben und auch seine Fehler und Schwächen werden aufgezeigt. So erlebt man mit ihm sehr gern die persönliche Geschichte, aber auch die des Osmanischen Reichs zu diesem Zeitpunkt.

Auch andere Charakter werden detailreich und lebendig beschrieben. Dabei gibt es fiktive Personen, aber auch reale historische Figuren. Einer von diesen realen Persönlichkeiten ist Mimar Sinan, der als Hofarchitekt des Sultans arbeitete (zur selben Zeit wie ein Michelangelo in Rom) und in seinen 99 Lebensjahren etwa 500 Bauwerke erschaffen hat. Darunter sind einige noch heute bestehende Gebäude.

Aber es wird nicht nur die Lebensgeschichte dieser beiden Männer beschrieben. Das Buch handelt von den Klassenunterschieden in der Bevölkerung, von Gewalt und Willkür, von Geflechten und Beziehungen – guten sowie schlechten – im Palast, von Politik und Liebe, von Verrat und Erwachsenwerden. Historisches, Kulturelles und Architektonisches werden von der Autorin in den Text einbezogen. Als Leser lernt man Sitten und Gebräuche kennen. Dabei fehlt auch Exotik und Leidenschaft nicht. Es ist eine gelungene Mischung aus vielen Komponenten.

Der Schreibstil der Autorin ist eher ruhig, aber trotzdem spannend. Es ist das erste Buch, das ich von ihr gelesen habe, so hat mich ihre ausdrucksstarke und doch manchmal poetische Sprache beeindruckt. Sie bedient sich mehrerer Zeithandlungsebenen und wechselnden Perspektiven, was ich als gelungen ansehe. Die märchenhafte Geschichte ist meist kurzweilig und nicht unbedingt vorhersehbar. Allerdings ist die Übersetzung dann an manchen Stellen doch ein wenig holprig. Während sich Elif Shafak teilweise in der Mitte des Buches in eher langatmigen Schilderungen verstrickt, geht es zum Ende hin dann doch rasant zu. Vielleicht wollte sie da dann doch einfach zu einem Schlusspunkt kommen.

Alles in allem ist es ein empfehlenswertes Buch, dass in ein interessantes Osmanisches Reich mit seinen Bewohnern und Geschichten eintaucht und mit kleinen Schwächen eine Lesefreude darstellt.

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