Istanbuler Märchen

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
annajo Avatar

Von

Istanbul, 1540: Der junge Jahan kommt mit seinem weißen Elefanten aus Indien. Der Elefant ist ein Geschenk für den Sultan und so gelangt Jahan in den Sultanspalast. Dort trifft er unter anderem auch die Tochter des Sultans, in die er sich schon in jungen Jahren verliebt, aber auch dem Hofarchitekten Sinan, der ihn letztlich als Schüler aufnimmt. Gemeinsam sind sie für den Bau zahlloser Gebäude verantwortlich, darunter diverse Sultansmoscheen. Über die Jahrzehnte erlebt Jahan mehrere Sultane und ihre Willkür, Freundschaft und Verrat und vor allem die grenzenlose Liebe zur Architektur.

Diesem Leben folgt der Leser über mehr als 600 Seiten und erlebt einen Protagonisten, der wenig welterfahren und sehr gutgläubig ist, da er im Palast sehr behütet aufgewachsen ist und lebt. Zahlreiche der Figuren, nicht zuletzt der Hofarchitekt, sind historisch wohl bekannt. Die Bauten Sinans stehen teilweise heute noch in Istanbul. Die Autorin lässt ein opulentes Istanbul und ein verschwenderisches Palastleben auferstehen und malt dieses farbenprächtig aus. Die Beschreibungen sind sehr ausführlich und entführen so sehr gut in die damalige Zeit. Wie bei arabischen Märchen üblich, ist die Sprache blumig und opulent und wenig Handlung kann auf vielen Seiten dargestellt werden. Daher fehlt an der ein oder anderen Stelle manchmal ein wenig die Spannung, ich konnte in dieses Buch aber sehr gut eintauchen und somit auch diese Passagen genießen. Denn welches Leben rast schon von einer Höhe zur nächsten Tiefe? Die Figuren wirkten authentisch und die architektonischen Beschreibungen und Themen waren interessant. Kritisieren kann ich lediglich ein paar lose Fäden und nicht aufgelöste Rätsel. Gerade Jahans Vergangenheit und sein Werdegang zum Elefantenhüter liegen im Dunkeln, was immer wieder thematisiert, am Ende aber leider nicht aufgelöst wird. Am Ende wird auch noch ein etwas übernatürlich anmutendes Element eingeworfen, das ich unnötig (oder nicht ausreichend ausgereift) fand.

Insgesamt hat mich dieses umfangreiche Buch gefesselt und in den Schmelztiegel Istanbul des 16. Jahrhunderts entführt. Kriege, Pest und Feuer waren allesamt greifbar, ebenso wie die Charaktere alle glaubhaft und mehrdimensional waren. Mit diesem Buch war es leicht, das alltägliche Drumherum zu vergessen und in ein Istanbuler Märchen einzutauchen.

(Ich vergebe viereinhalb Sterne und runde diese auf fünf Sterne auf.)