Ein riskanter Cocktail 🍸

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annnnnnna Avatar

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„Seht alles, ohne hinzusehen. Hört alles, ohne hinzuhören.“ So lautete das stille Gebot, das César Ritz seinen Mitarbeitenden bei der Eröffnung seines legendären Hotels im Jahr 1898 mitgab. Jahrzehnte später scheint Barmann Frank Meier diese Maxime nicht nur verinnerlicht zu haben - er lebt sie. Doch er sieht mehr, als gut für ihn ist. Und er hört mehr, als er sollte.

Im Paris des Jahres 1940 trägt er ein lebensgefährliches Geheimnis mit sich, Frank Meier ist Jude. Nacht für Nacht mixt er Drinks für hochrangige Nazis, die sich in der Bar des Ritz in trügerischer Sicherheit wähnen und lauscht dabei aufmerksam ihren Gesprächen. Sein wichtigstes Handwerkszeug: äußerlicher Gleichmut. Hinter der eleganten Fassade hilft er mit gefälschten Pässen, wo er kann und spielt dabei ein brandgefährliches Spiel. Elegant. Riskant. Atemlos.

„Lieber bereue ich, etwas getan zu haben, als später zu bedauern, dass ich nichts getan habe.“ Zitat Seite 168.

Philippe Collin ist ein begnadeter Erzähler. Die Sequenzen mit Frank Meiers Tagebuch haben mir besonders gefallen, sie geben dem Roman Tiefe und eine intime, fast dokumentarische Perspektive. Mit atmosphärischer Dichte und historischem Feingefühl zieht er die Leser sofort in seinen Bann. Die Verbindung aus realer Geschichte und Fiktion gelingt ihm grandios – Chapeau!

Die ganz besondere Atmosphäre der Bar des Ritz wird eindrucksvoll eingefangen. Wo einst ausschließlich die feine Pariser Gesellschaft und internationales Spitzenpublikum verkehrte, geben sich nun Wehrmachtsoffiziere, Emporkömmlinge und Kurtisanen die Klinke in die Hand. Die Bar ist Frank Meiers ganz persönliche Front, ein pulsierender Magnet, an dem sich Politik, Macht und Geld kreuzen.

Ein kluger, spannungsgeladener Roman mit Tiefgang für alle, die historische Romane lieben, die nicht nur erzählen, sondern unter die Haut gehen.