Beeindruckend!

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mike nelson Avatar

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"Der Brand" von Daniela Krien hinterlässt mich tief beeindruckt; die Handlung startet zunächst recht leicht und unspektakulär, aber dann... Drei Wochen Ersatz-Urlaub für Rahel und Peter auf dem Hof einer Freundin von Rahels Mutter in der Uckermark, weil das ursprünglich gebuchte Urlaubsdomizil in Bayern abgebrannt ist- die beiden sind fast dreißig Jahre miteinander verheiratet, großgeworden in der ehemaligen DDR, er Universitätsprofessor, sie Psychotherapeutin mit eigener Praxis; zusammen haben sie zwei Kinder, die unterschiedlicher nicht sein könnten, Samuel mit Karriere bei der Bundeswehr und Selma, eher orientierungslos, verpartnert und ausgestattet mit zwei wild-verwöhnten kleinen Söhnen. Die drei Wochen enden auf der Heimfahrt mit einer melancholischen Reminiszenz an die Vergangenheit - das gealterte Paar hört im Auto einen Lieblings-Song des alten DDR-Barden Gundermann. Und in den drei Wochen zwischendurch ist viel passiert: Die Bilanz der in die Jahre gekommenen und entfremdeten Beziehung; dabei Rahel noch ein wenig sehnsüchtig, ihr Mann Peter in sich selbst zurückgezogen, das Leben am liebsten nur noch mit seinen Büchern teilend ("Für ihn ist Literatur wie ein lebendiges Gegenüber. Manchmal sogar lebendiger als das, was sich vor seinen Augen abspielt. Und im Gegensatz zu Menschen ist sie ihm unentbehrlich." Tochter und Enkel kommen zu Besuch, es wird lebendig aber unruhig auf dem Lande; die unterschiedlichen Lebensentwürfe der Generationen prallen aufeinander. Rahel ist der Lösung ihrer Vaterfrage auf der Spur. Und so ganz beiläufig gelingt es Daniela Krien, ein Bild unserer Zeit zu zeichnen - zumindest aus der Perspektive der intellektuell privilegierten Minderheit, die in die Jahre gekommen und ein wenig wertekonservativ geworden ist. Und es entsteht ein 'Beziehungs-Brand' in der Familie und im Paar, der gewohnte Alltag kann nicht mehr hinwegtäuschen, gilt es doch, sich in neuer Umgebung neu zu finden. Habe lange nicht mehr einen derart treffsicher-entlarvenden und gleichwohl leichtgängigen Roman gelesen!