Lebensnah, echt, ungeschönt

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dany_87 Avatar

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Der Roman "Der Brand" von Daniela Krien umfasst 272 Seiten und ist als gebundenes Buch im Diogenesverlag erschienen.

In dem Roman geht es um das Leben von Rahel und Peter, die seit 30 Jahren miteinander verheiratet sind, zwei Kinder haben und in Dresden leben. Eigentlich hatten sie sich ihren gemeinsamen Sommerurlaub ganz anders vorgestellt, es sollte Wandern gehen. Doch zwei Anrufe werfen alle Pläne über Bord. Der erste teilt Rahel mit, dass die idyllische Berghütte durch einen Brand zerstört wurde. In dem zweiten Anruf bittet Ruth, die beste Freundin von Rahels verstorbener Mutter, um ihre Unterstützung. Ihr Mann hatte einen Schlaganfall und sie möchte ihn in der Rehaklinik unterstützen. Sie bittet Rahel und Peter auf das Haus und die Tiere aufzupassen und so fahren Rahel und Peter nicht in die Alpen, sondern in die Uckermark.

Der Leser spürt gleich zu Beginn des Buches, dass sich das Ehepaar nicht in der besten Phase ihres gemeinsamen Lebens befindet. Rahel hat angst, dass ihr Ehemann sie verlässt, weil er sie körperlich nun schon seit einer Weile nicht mehr begehrt und sich auch ansonsten von ihr zurückzieht.
Im Laufe des Romans lernen wir auch die gemeinsamen Kinder, Selma und Simon, kennen und durch die unterschiedlichen Probleme innerhalb der Familie ergeben sich auch immer tiefere Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelten der beiden Hauptprotagonisten.

Der Roman wird aus der Sicht eines neutralen Erzählers beschrieben, der die Gedanken von Rahel kennt. Was in den anderen Beteiligten vor sich geht, wissen wir nicht und doch kann man sich sehr gut auch in diese Personen hineinversetzen, weil es der Autorin gelingt, durch Beobachtungen und Zwischentöne ein Gespür für diese zu entwickeln und sie dem Leser sehr nahe zu bringen.

Mir hat besonders die Aktualität des Romans gefallen. Beispielsweise war die Coronapandemie immer ein steter Nebenbegleiter ohne zu sehr im Mittelpunkt zu stehen. Aber besonders der Bezug zu aktuellen politischen und gesellschaftlichen Themen hat das Buch für mich zu etwas Besonderem gemacht. So ging es um Gendersprache und die Anerkennung von mehr als zwei Geschlechtern, der immer noch bestehende Ost-West-Konflikt, moderne Erziehungsmodelle und vieles mehr. Sehr oft hatte ich beim Lesen das Gefühl, einer echten aktuellen Geschichte beizuwohnen. Die Protagonisten scheuen sich dabei auch nicht manchmal unpopuläre oder kritische Haltungen zu den verschiedenen Themen einzunehmen, zu provozieren, andere Denkanstöße zu vermitteln, wodurch das Buch für mich noch an Authentizität gewonnen hat.

Obwohl der Roman sehr ruhig und unaufgeregt daherkommt, war es für mich nie langweilig und obwohl Rahel und Peter so gänzlich nicht in meinem Alter sind und ich mich auch in einem ganz anderen Lebensmodel befinde, konnte ich sie verstehen, mich in sie hineinversetzen und besonders Rahels Gefühle und Ängste konnte ich gut nachvollziehen. Ich habe mit ihr gelitten, wenn Peter sie nicht an sich hat herankommen lassen und mich über jeden Schritt gefreut, der das Paar einander näher gebracht hatte, auch wenn es vielleicht nur von kurzer Dauer war.

Eine sehr berührende, authentische Geschichte, die nicht nur sehr zeitgenössisch ist, sondern auch davon erzählt, das eine Ehe nicht immer gradlinig verläuft. Das es Höhen und Tiefen geht, das es sich lohnt nicht sofort aufzugeben, das man immer wieder an sich arbeiten muss, sich neu kennenlernen kann und muss. Es geht um Liebe, Familie und so viel mehr.