Umwerfender Schreibstil, doch ein wenig verschenktes Potential

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imperatorwilma Avatar

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Die Hochzeit zwischen Rahel und Peter ist schon beinahe 30 Jahre her. Mit gemeinsamen Hobbies, einer gemeinsamen Wohnung und zwei Kindern mag es so scheinen, als wären die beiden mitten im Leben angekommen, doch es gibt eine Sache, die Rahel massiv stört und die sie gerne aus der Welt schaffen würde. Denn langsam ist das Liebesleben der beiden eingeschlafen und die Beziehung wirkt viel mehr wie ein Zusammenleben alter Freunde. Nun will Rahel im anstehendem Sommerurlaub dem auf den Grund gehen, und herausfinden, was mit ihr oder Peter nicht stimmt, oder ob die Asexualität und Trockenheit in der Beziehung mit 50 Jahren einfach normal ist.

Das Buch konnte ich sicherlich mit seinem Schreibstil überzeugen, der in der deutschsprachigen Literatur nach seinesgleichen sucht. Man kann sich in den Worten von Daniela Krien stundenlang verlieren, ohne dass es dafür einer reißerischen Geschichte oder einer dramatischen Liebe bedürfte. Selbst wenn die Autorin keine Romane sondern Beschreibungen von Toastern schreiben würde, wäre es immer noch ein Hochgenuss, diese zu lesen. Das umschreibende und die Schwammigkeit des Buches konnten mich auf sprachlicher Ebene voll und ganz begeistern, dennoch muss ich sagen, dass mir in der Geschichte etwas fehlte. Mir war nicht sofort klar was, aber mit zunehmendem Voranschreiten der Geschichte habe ich herausgefunden, dass mir die Spannung fehlt. Denn diese sucht man hier vergeblich. Der Spannungsbogen baut sich langsam auf, entlädt sich allerdings nicht, sondern baut sich mit eben derselben Monotonie und Langsamkeit, mit der er sich aufgebaut hat, auch wieder ab. Das mag sich jetzt vielleicht sterbenslangweilig und wie der Todesstoß für das Buch anhören, doch ich bin damit vollkommen im Reinen. Denn neben dem umwerfenden Schreibstil kann die Autorin auch mit philosophischen Denkanstößen aufwarten. Man überrascht sich selbst während des Lesens immer wieder dabei, wie man sich selbst mit Peter und Rahel vergleicht, vor allem aber, wie weit die politischen und gesellschaftlichen Ansichten voneinander abweichen. Hier muss ich sagen, dass ich in vielen Punkten den beiden - vor allem aber Rahel - zustimmen kann, wohingegen man in anderen Situationen deutlich merkt, dass die beiden auf die 50 zugehen. Bei diesen Stellen habe ich dann als siebzehnjähriger auch gemerkt, dass die beiden, vor allem aber Peter in den letzten 5 bis 10 Jahren einige wenige Entwicklungen verpasst haben und auf der Strecke geblieben sind. Im Generellen bin ich auch ein wenig erstaunt, wie weit ich mich mit der Thematik rund um eine gelähmte Liebe zwischen zwei fünfzigjährigen auseinandersetzen kann, und mich doch mit einigem identifizieren kann, auch wenn ich deutlich jünger, queer und single bin.

letztendlich ist der Schreibstil alleine es wert, sich mit der Autorin und der Geschichte auseinanderzusetzen, auch wenn die Handlung etwas ruhiger und nachdenklicher ist.