Ein Coming-of-Age, das keine Unschuld kennt

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kirakolumna Avatar

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Die Leseprobe von Der brennende Garten hat mich sofort reingezogen. Die Hauptfigur Sashi erzählt aus dem New York von 2009 rückblickend ihre Geschichte aus Sri Lanka. Schon im ersten Kapitel merkt man, dass nichts schwarz-weiß erzählt wird. Begriffe wie „Terrorist“ stehen im Raum, werden aber sofort wieder eingerissen. Statt einfacher Etiketten gibt es Erinnerungen voller Grauzonen.
Zurück in den 1980ern erleben wir Jaffna durch die Augen einer Jugendlichen, die Ärztin werden will, und gleichzeitig Zeugin und Mitbetroffene des aufkommenden Bürgerkriegs ist. Die Szenen wechseln zwischen Anatomieunterricht ( mit Frosch, Ratte und Hai in Formaldehyd) und einem Alltag, in dem Fahrräder plötzlich zum Beweisstück werden, das über Leben und Tod entscheiden kann. Dieser Kontrast ist unglaublich stark: Auf der einen Seite Ehrgeiz, Prüfungsdruck und das Gefühl, eine Zukunft zu haben. Auf der anderen Seite Einschüchterung, Gewalt und der stille Terror, der in Familiengesprächen, Radiosendungen und Verschwinden von Menschen greifbar wird.
Besonders gelungen finde ich, wie fein Ganeshananthan die Spannung steigert. Erst die stillen Momente, z.B. Spaziergänge zur Bibliothek, kleine Neckereien unter Geschwistern, Zuneigung zu K. Dann der Bruch: ein Attentat, ein verschwundenes Fahrrad, ein Bruder, der verdreckt und verändert zurückkehrt. Die Welt der Figuren zieht sich zusammen, bis nur noch Angst, Schweigen und das Gefühl bleiben, dass nichts mehr sicher ist.
Mich hat die Leseprobe überzeugt: ein Roman, der Coming-of-Age, Familiengeschichte und Bürgerkrieg so eng verknüpft, dass man als Leser*in fast selbst den Atem anhält. Poetisch, beklemmend und sehr kraftvoll.