Ambivalent und anstrengend

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aischa Avatar

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Was hatte ich mich auf diesen Roman gefreut! Ich lese leidenschaftlich gerne Geschichten, die in fernen Ländern spielen und mir Einblicke in Kulturen geben, über die ich bisher wenig wusste. Über die leidvolle Geschichte Sri Lankas nach der Unabhängigkeit war mir abgesehen von den brutalen Schlaglichtern des Bürgerkriegs, die es in westliche Nachrichten geschafft hatten, kaum etwas bekannt. Umso größer war meine Vorfreude auf "Der brennende Garten" – und, ja, vielleicht auch mein Wunsch, dieses Buch unbedingt mögen zu wollen. Leider ist mir das nicht gelungen.

Der Anfang hat mich durchaus überzeugt. Ganeshananthan zeigt sehr eindrücklich, wie relativ der Begriff „Terrorist“ sein kann. Niemand wird als solcher geboren; oft steht dahinter ein verzweifelter Wunsch, ein als ungerecht empfundenes System zu verändern. Auch die Einblicke in die tamilische Kultur haben mir gefallen. Dass die Großmutter der Protagonistin das „gute Porzellanservice“ nur zu ganz besonderen Anlässen hervorholt, hat mich an meine eigene Oma erinnert und daran, wie ähnlich wir Menschen einander trotz aller Unterschiede sein können. Besonders beeindruckt hat mich zudem, welchen Stellenwert Bildung in Sri Lanka offensichtlich genießt – und welch immenser Respekt, ja gar Liebe Lehrern und Professorinnen auf dem Inselstaat entgegengebracht wird.

Doch leider verlor mich die Geschichte relativ schnell. Die letzten beiden Drittel waren für mich ein zähes Ringen, ich habe mich durch die Seiten gequält und das Buch immer wieder weggelegt. Ich habe bis zum Schluss mit Sashi und ihren Brüdern gehadert, ohne wirklich Zugang zu ihren Beweggründen oder Gefühlen zu finden. Warum geht ein junger Mensch in den Untergrund und tötet Zivilisten? Wie kann eine politische Mission die Bindungen an die eigene Familie kappen? Der Roman stellt diese Fragen, liefert aber für meinen Geschmack zu wenige greifbare Antworten oder auch nur emotionale Anknüpfungspunkte.

Dass dies offenbar beabsichtigt war, macht die Autorin im Nachwort deutlich: „Wie dir inzwischen klar sein wird, wenn du bis hierher gelesen hast, habe ich in Personalunion mit der Erzählerin dieses Romans ein kompliziertes Verhältnis zu Erklärungen. Wer ist verpflichtet, sie abzugeben, und warum?“ Natürlich muss Literatur komplexe Themen nicht bedingungslos vereinfachen, und sie schuldet uns keine eindeutigen Antworten auf vielschichtige Fragen. Aber wenn ich nach einem gut 450-seitigen Roman ratloser dastehe als zuvor, dann hinterlässt das bei mir ein deutliches Gefühl der Unzufriedenheit.

Gerade weil ich dieses Buch so gerne gemocht hätte – nicht zuletzt, nachdem ich gelesen habe, dass Ganeshananthan unglaubliche 18 Jahre daran gearbeitet hat – wiegt meine Enttäuschung schwer. Am Ende bleibt für mich ein sehr durchwachsenes Leseerlebnis: interessant in Ansätzen, atmosphärisch dicht, aber emotional und erzählerisch zu oft fern und unzugänglich.