Bruderlose Nacht

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
auserlesenes Avatar

Von

Das Jahr 1981 in Jaffna im Norden von Sri Lanka: Die fast 16-jährige Sashikala Kulenthiren, genannt Sashi, möchte Ärztin werden. Aber dann bricht ein brutaler und langer Bürgerkrieg aus und reißt ihre Heimatstadt auseinander. Zwei ihrer Brüder werden in die Auseinandersetzung hineingezogen und schließen sich den Kämpfern an - mit fatalen Folgen. Auch K, ein ein Jahr älterer Junge aus der Nachbarschaft, für den sie Gefühle entwickelt hat, ist bei den Tamil Tigers.

„Der brennende Garten“ ist ein Roman von V. V. Ganeshananthan, der unter anderem mit dem Women's Prize for Fiction im Jahr 2024 ausgezeichnet worden ist.

Der Roman ist sehr klar strukturiert: Auf einen Prolog folgen fünf Teile, die sich wiederum in insgesamt 20 Kapitel gliedern. Die Haupthandlung umspannt die Jahre 1981 bis 1989 und spielt vor allem in der Stadt Jaffna und in Colombo (beides Sri Lanka). Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Sashi.

Die Sprache ist klar, aber nicht platt. Die Dialoge wirken lebensnah. Die Beschreibungen sind eindringlich.

Die Tamilin Sashi ist eine interessante Protagonistin: intelligent, mutig und sympathisch. Eine authentische Figur, mit der ich mitfühlen konnte.

Die Geschichte schildert die Kindheit und Jugend Sashis, das Aufwachsen in einer besonders schwierigen Zeit. Es ist also einerseits ein Coming-of-Age-Roman.

Andererseits beleuchtet die Geschichte das Entstehen und den Verlauf des Bürgerkriegs, das Bestreben der Tamilen nach Unabhängigkeit und den Pogrom von 1958. Dabei ist dem Roman die intensive, fundierte Recherche anzumerken. Er wirft Fragen auf: Was bedeutet Terrorismus? Was macht ein Bürgerkrieg mit ganz normalen Menschen und insbesondere Frauen? Wie ist man sich selbst treu im Umfeld von Gewalt und Schrecken? Zudem spielen Unterdrückung, Diskriminierung und feministische Aspekte eine Rolle. Dies alles verleiht der Geschichte Facettenreichtum und Tiefe.

Auf den mehr als 450 Seiten ist Roman kurzweilig und berührend. Die Handlung ist zwar immer wieder dramatisch, bleibt aber stimmig und glaubwürdig.

Der deutsche Titel klingt gleichermaßen poetisch wie dramatisch, weicht aber erheblich vom englischsprachigen Original („Brotherless Night“) ab. Das passende Covermotiv hingegen orientiert sich an den fremdsprachigen Ausgaben.

Mein Fazit:
„Der brennende Garten“ von V. V. Ganeshananthan ist nicht nur eine sehr bewegende Lektüre, sondern auch ein Buch, das interessante Einblicke in die Historie Sri Lankas bietet. Ein in mehrerer Hinsicht empfehlenswerter Roman.