Interessante Mischung aus geschichtlichem Hintergrund und literarischer Feinfühligkeit

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gletscherwoelfchen Avatar

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Die junge Tamilin Sashi wächst in Mitten einer liebenden, behüteten Umgebung in Jaffna, Sri Lanka auf, als sich kurz vor ihrem Abschluss die Spannungen zwischen den beiden vorherrschenden Ethnien Sri Lankas immer weiter verschärfen. Immer wieder wird Sashi Zeugin von unmenschlichen, markerschütternden Taten der Tamilen und Singhalesen, welche 1983 schließlich in einem Bürgerkrieg gipfeln. Während die junge Frau versucht, ihren Weg zur praktizierenden Ärztin weiter zu verfolgen, dringen die Konsequenzen des Krieges bis zu ihr nach Hause. Während ihre Familie gespalten wird und Freunde verschwinden, muss auch Sashi sich positionieren...

"Der brennende Garten" war mein erster Kontakt mir sri lankischer Geschichte. Ich muss zugeben, dass ich vor diesem Roman kaum Wissen über den doch recht aktuellen Bürgerkrieg in diesem für uns so fernen Land parat hatte. Und doch erwartete ich während der ersten Seiten dieses Buches zunächst nicht, tiefergehende Einblicke in die Geschichte des gespaltenen Landes zu erhalten.
Denn auf diesen ersten Seiten wird man als Leser ein wenig in die Irre geleitet, erwartet eine vor sich hin plätschernde Liebesgeschichte in einer ruhigen, heilen Welt. Neben dem Setting wähnt einen hier auch der Schreibstil der Autorin zunächst in Sicherheit. Er wirkt sanft und beschreibend, ein wenig distanziert und vergleichbar faktisch. Er lässt sich insgesamt Zeit zum Entfalten, gibt dem Leser Raum, sich in all den fremden Namen, Begriffen und Eindrücken zurechtzufinden - bis schließlich ein einschneidendes Erlebnis alles verändert. Ab diesem Punkt eröffnet sich dem Leser der gesamte Horror des Bürgerkrieges, immer wieder werden hier dessen Ereignisse und Konsequenzen geschichtlich recht akkurat aufgezeigt.

Dies geschieht in einer Art autobiografischer Darstellung, die es zulässt, Sashis Gedankenwelt und Werdegang intensiv kennenzulernen. Dabei wirkt Sashis Geschichte durch und durch rund. Kleine Details lassen ohne weiteres Hintergrundwissen kaum erahnen, dass Sashi lediglich ein fiktiver Charakter ist. Und doch bleibt trotz der Authentizität ihrer Darstellung eine gewisse Distanz zu ihr bestehen. Obgleich der Leser hin und wieder persönlich angesprochen wird, habe ich mich wie ein außen vorstehender Beobachter gefühlt. Und vielleicht war dieses Gefühl gar nicht verkehrt. Denn ich kann mir gut vorstellen, dass diese Distanz dabei hilft, den Roman und die Taten beider Parteien des Krieges, welche mich sprachlos zurückgelassen haben, besser verinnerlichen und verarbeiten zu können.

Insgesamt empfehle ich dieses Buch allen, die sich in geschichtlicher und gesellschaftspolitischer Hinsicht ein wenig weiterbilden möchten, dabei jedoch nicht auf literarische Feinfühligkeit verzichten wollen. Wer sich auf einen etwas holprigen Start einlassen möchte und sich zumutet, fremde Namen und Begriffe selbst und ohne Glossar erkunden zu können, sollte sich "Der brennende Garten" unbedingt näher ansehen.
4/5 Sterne