Schmerz zeichnet eine Landkarte

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owenmeany Avatar

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Dieses Buch strengt die Leserschaft in mehr als einer Hinsicht an, aber nach erfolgter Lektüre hat man profitiert durch wertvolle Erkenntnisse.

Die Tamilin Sashi aus Sri Lanka, ein intelligentes und ehrgeiziges Mädchen, studiert auch ihrer Familientradition entsprechend und aus voller Überzeugung Medizin. Dabei gerät sie in das Getriebe des Bürgerkriegs, in dem beim besten Willen niemand neutral bleiben kann, besonders wenn man sich in irgendeiner Form exponiert und sei es nur durch besondere Fertigkeiten, denn die Spaltungen laufen mitten durch Familien und Freundeskreise. Die meisten werden regelrecht zerrieben zwischen den Fronten. Das Schlüsselwort "Terrorist" gebraucht sie bereits in ihrem Vorwort mehrfach, wobei sich die eigentliche Bedeutung des Begriffs im Laufe der Geschichte erschließt.

Die feministische Perspektive kommt schon dadurch zum Ausdruck, dass Frauen als die wahrhaft Starken erscheinen, und dauernd kontrastiert die menschliche Dimension mit den politischen Prinzipien und Verwerfungen. Der Welt der Tatsachen wird Ganeshananthan gerecht, indem sie fundierte medizinische, historische und literarische Kenntnisse einflicht.

Auch ohne einen grundlegenden Bezug zu diesem durch den Kolonialismus gebeutelten Inselstaat gewinnt man fundamentale Einsichten: ähnliche Entwicklungen von Individuen, bedingt durch die gesellschaftlichen Verhältnisse, habe ich auch schon in Werken über den Nordirlandkonflikt gelesen, wie sich arglose, verantwortungvolle Menschen alleine durch den Druck radikalisieren. Erschütternd wirkt es auf mich, wie im Zusammenleben verzweifelt versucht wird, einen Anschein von Normalität aufrechtzuerhalten. Nicht nur die Willkür und Unterdrückung durch die amtliche Regierung, sondern auch die grausamen Kämpfe zwischen den verschiedenen Widerstandsgruppen führen zu völlig absurden Situationen.

Gleichzeitig verfolgen wir voller Bewunderung und Empathie die Entwicklungsgeschichte Sashis und ihre Emanzipation. Auch aufgrund der uns hierzulande so fremden Namen und Begriffe, für die der Verlag keine Hilfestellung anbietet, ergibt dieses zu Herzen gehende Zeugnis eine fordernde und lohnende Lektüre .