Erdrückend, eindrücklich

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
peedee Avatar

Von

Die Architektin Tilda ist traumatisiert durch einen Theatereinsturz, für den sie sich die Schuld gibt und es Tote zu beklagen gab. Unlängst war zudem noch ihr Vater gestorben. Bei seinen Unterlagen findet sie einen Artikel über Botigalli, einem sardischen Geisterdorf, wo Ein-Euro-Häuser zum Verkauf stehen. Sie braucht Ruhe und Ablenkung – da kommt ihr eine Renovierung in einer abgelegenen Gegend, wo niemand sie und ihre Geschichte kennt, gerade recht. Doch es ist überhaupt nicht idyllisch, sondern unheimlich, mysteriös. Von Enzo, einem Journalisten, der die Geschichte des Dorfes erforscht, erfährt sie, dass über ihrem Haus ein Fluch liegen solle. Als ihr Bruder Nino unverhofft vor ihrer Tür steht und kurz darauf spurlos verschwunden ist, ist Tilda verzweifelt. Die Polizei sagt, sie solle einfach abwarten…

Erster Eindruck: Ein schlichtes Cover mit orangen Elementen und Farbschnitt – gefällt mir sehr gut.

Das Buch wird aus verschiedenen Blickwinkeln und Zeiten erzählt; der Wechsel der Perspektive ist gut vermerkt.

Tilda hat schwere Zeiten hinter sich. Sie muss deshalb weg von ihrem gewohnten Umfeld. Warum sie sich ausgerechnet ein Ein-Euro-Haus in Botigalli kauft, bei der sie nur nachweisen muss, dass sie die nötigen Renovierungen finanziell stemmen kann, ist ihr wohl selbst noch ein Rätsel. Wieso hat ihr italienischer Vater, der nie wieder nach Italien zurückging, sondern glücklich in Deutschland eine Pizzeria führte, diesen Zeitungsartikel in seinen Unterlagen gehabt?
Enzo ist Journalist und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit seinem Hauptthema, dem Massaker von 1982 in Botigalli. Durch Gespräche mit Silvio, dem letzten Überlebenden des Dorfes, versucht er, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Was ist seinerzeit wirklich passiert? Silvio schweigt beharrlich und macht sich einen Spass daraus, Enzo auflaufen zu lassen.

Die „omertà“, die Schweigepflicht – besser, man hörte und sah nichts –, liegt über der ganzen Geschichte der Vergangenheit. Erdrückend, eindrücklich. Es geht auch um „matrimonio riparatore“, sinngemäss „reparierende Heirat“, bei der eine vergewaltigte Frau ihren Peiniger heiraten musste, um die Ehre der Frau (und deren Familie) wiederherzustellen. Der Vergewaltiger entging dadurch einer Strafverfolgung. Verrückt, oder? Entführungen, sowie Schuld und Wiedergutmachung sind weitere Stichworte dieses Buches. Für mich war es das erste Buch der Autorin, insofern habe ich keine Vergleichsmöglichkeiten. Das Buch hat sich flüssig lesen lassen; immer wieder gab es Plot-Twists und ich war wirklich sehr gespannt, wie sich das Ganze auflösen würde. Nur eines war mir durchwegs bewusst: Es ist eine Tragödie sondergleichen! Und genau so war es auch. Von mir gibt es 5 Sterne.