Sardinien wie man es noch nie gelesen hat
Vera Buck, geboren in Nordrhein-Westfalen, ist eine vielfach ausgezeichnete Autorin, die sich mit ihren tiefgründigen und atmosphärischen Romanen einen Namen gemacht hat. Sie hat Journalistik, Literaturwissenschaft und Drehbuchschreiben unter anderem in Frankreich, Spanien und auf Hawaii studiert. Ihre Werke wie "Runa" oder "Wolfskinder" wurden für den Friedrich-Glauser-Preis nominiert. Heute lebt und arbeitet sie als freie Schriftstellerin in der Schweiz – inspiriert von Reisen und Wanderungen durch einsame Berglandschaften.
Worum geht’s genau?
Tilda, eine deutsche Architektin, kauft sich ein verfallenes Haus in einem scheinbar verlassenen Dorf auf Sardinien – für nur 1€. Auf der Suche nach einem Neuanfang will sie das Haus renovieren und mit der Vergangenheit abschließen. Doch die Ruhe trügt: Glocken läuten sonntags wie von Geisterhand, Dorfbewohner:innen warnen vor einem Fluch, und dann taucht ihr jüngerer Bruder Nino auf – samt verdrängter Erinnerungen. Als Nino plötzlich verschwindet, begibt sich Tilda gemeinsam mit dem Journalisten Enzo auf Spurensuche. Dabei stoßen sie auf dunkle Geheimnisse, eine lange verdrängte Geschichte der Gewalt – und eine sardische Tradition, die vor allem für Frauen lebensverändernde Konsequenzen hatte. Alles scheint mit Tildas eigener Vergangenheit verbunden zu sein.
Meine Meinung
Was mich sofort gepackt hat, war das atmosphärische Cover – geheimnisvoll, düster, mediterran. Als Italien-Fan war ich sofort neugierig und konnte nicht widerstehen. Ich habe "Der dunkle Sommer" als Hörbuch über NetGalley und den Argon Verlag gehört – an dieser Stelle ein großes Dankeschön für das Rezensionsexemplar.
Die Geschichte selbst entwickelt früh eine Sogwirkung: Die düstere Atmosphäre des Geisterdorfs, die angedeuteten Familienkonflikte und die Frage, was wirklich in diesem Dorf geschehen ist, haben mich nicht mehr losgelassen. Trotz einer Spielzeit von über zehn Stunden habe ich das Hörbuch in wenigen Tagen durchgehört.
Inhaltlich war für mich überraschenderweise weniger der Thriller-Aspekt (wobei ich allgemein sagen muss es ist mehr Familiendrama als Thriller ist) überzeugend, als vielmehr das historische und gesellschaftskritische Fundament, das mich beeindruckt hat. Die Erzählung ist ein Familiendrama, das gleichzeitig die Geschichte eines sardischen Dorfes und einer patriarchalen Tradition erzählt. Besonders die Thematik des „matrimonio riparatore“ – also der Zwangsheirat zur "Wiederherstellung der Ehre" nach einer Vergewaltigung – war für mich erschütternd und gleichzeitig faszinierend. Es war mir neu, dass diese Praxis bis in die späten 1970er Jahre gesetzlich erlaubt war. Auch wenn einem die Grundidee der „Ehrrettung“ durch Heirat leider aus vielen Kulturen vertraut ist, war die vormals gesetzliche Verankerung in Italien für mich ein Schock.
Hinzu kommt: Ich war selbst schon einmal in Orgosolo – einem der erwähnten sardischen Dörfer mit rebellischen Geschichte und den berühmten Wandbildern – und hatte dabei keinen blassen Schimmer von diesem düsteren Teil der Vergangenheit. Umso spannender war es, nun literarisch so tief in die Thematik einzutauchen. Die feministische Perspektive der Autorin hat mir besonders gefallen: Die Kritik an patriarchalen Strukturen zieht sich wie ein roter Faden durch die Handlung, ohne je plump oder belehrend zu wirken.
Erzählerisch überzeugt mich die doppelte Zeitebene: Die Ereignisse in der Gegenwart werden durch Rückblenden in die Vergangenheit sinnvoll ergänzt, was dem Roman Tiefe verleiht und die Spannung kontinuierlich aufrechterhält. Besonders stark fand ich, wie sich nach und nach die einzelnen Puzzleteile zusammenfügen. Die hochkarätige Besetzung des Hörbuchs mit Leonie Landa; Laura Maire; Uve Teschner; Julian Mehne; Jeremias Koschorz und Lydia Herms sorgt dafür, dass die zahlreichen Figuren gut unterscheidbar sind und lebendig wirken.
Kritisch sehe ich allerdings das Ende: Es wirkte auf mich etwas überhastet und nicht vollständig stimmig – einige Fragen blieben offen, was mich leicht unbefriedigt zurückließ. Zudem hatte ich etwa eine Stunde vor Schluss eine klare Ahnung, wohin sich die Handlung entwickelt. Die Auflösung war für mich daher keine große Überraschung mehr – aber das mindert nicht die emotionale Wucht der Geschichte.
Fazit
Der dunkle Sommer ist ein atmosphärischer Roman mit Thriller-Elementen, der eine düstere Familiengeschichte mit realhistorischem Hintergrund und feministischer Tiefenschärfe verknüpft. Trotz kleiner Schwächen im Finale ein packender, nachdenklich stimmender Hörgenuss. 4,5 von 5 Sternen.
Worum geht’s genau?
Tilda, eine deutsche Architektin, kauft sich ein verfallenes Haus in einem scheinbar verlassenen Dorf auf Sardinien – für nur 1€. Auf der Suche nach einem Neuanfang will sie das Haus renovieren und mit der Vergangenheit abschließen. Doch die Ruhe trügt: Glocken läuten sonntags wie von Geisterhand, Dorfbewohner:innen warnen vor einem Fluch, und dann taucht ihr jüngerer Bruder Nino auf – samt verdrängter Erinnerungen. Als Nino plötzlich verschwindet, begibt sich Tilda gemeinsam mit dem Journalisten Enzo auf Spurensuche. Dabei stoßen sie auf dunkle Geheimnisse, eine lange verdrängte Geschichte der Gewalt – und eine sardische Tradition, die vor allem für Frauen lebensverändernde Konsequenzen hatte. Alles scheint mit Tildas eigener Vergangenheit verbunden zu sein.
Meine Meinung
Was mich sofort gepackt hat, war das atmosphärische Cover – geheimnisvoll, düster, mediterran. Als Italien-Fan war ich sofort neugierig und konnte nicht widerstehen. Ich habe "Der dunkle Sommer" als Hörbuch über NetGalley und den Argon Verlag gehört – an dieser Stelle ein großes Dankeschön für das Rezensionsexemplar.
Die Geschichte selbst entwickelt früh eine Sogwirkung: Die düstere Atmosphäre des Geisterdorfs, die angedeuteten Familienkonflikte und die Frage, was wirklich in diesem Dorf geschehen ist, haben mich nicht mehr losgelassen. Trotz einer Spielzeit von über zehn Stunden habe ich das Hörbuch in wenigen Tagen durchgehört.
Inhaltlich war für mich überraschenderweise weniger der Thriller-Aspekt (wobei ich allgemein sagen muss es ist mehr Familiendrama als Thriller ist) überzeugend, als vielmehr das historische und gesellschaftskritische Fundament, das mich beeindruckt hat. Die Erzählung ist ein Familiendrama, das gleichzeitig die Geschichte eines sardischen Dorfes und einer patriarchalen Tradition erzählt. Besonders die Thematik des „matrimonio riparatore“ – also der Zwangsheirat zur "Wiederherstellung der Ehre" nach einer Vergewaltigung – war für mich erschütternd und gleichzeitig faszinierend. Es war mir neu, dass diese Praxis bis in die späten 1970er Jahre gesetzlich erlaubt war. Auch wenn einem die Grundidee der „Ehrrettung“ durch Heirat leider aus vielen Kulturen vertraut ist, war die vormals gesetzliche Verankerung in Italien für mich ein Schock.
Hinzu kommt: Ich war selbst schon einmal in Orgosolo – einem der erwähnten sardischen Dörfer mit rebellischen Geschichte und den berühmten Wandbildern – und hatte dabei keinen blassen Schimmer von diesem düsteren Teil der Vergangenheit. Umso spannender war es, nun literarisch so tief in die Thematik einzutauchen. Die feministische Perspektive der Autorin hat mir besonders gefallen: Die Kritik an patriarchalen Strukturen zieht sich wie ein roter Faden durch die Handlung, ohne je plump oder belehrend zu wirken.
Erzählerisch überzeugt mich die doppelte Zeitebene: Die Ereignisse in der Gegenwart werden durch Rückblenden in die Vergangenheit sinnvoll ergänzt, was dem Roman Tiefe verleiht und die Spannung kontinuierlich aufrechterhält. Besonders stark fand ich, wie sich nach und nach die einzelnen Puzzleteile zusammenfügen. Die hochkarätige Besetzung des Hörbuchs mit Leonie Landa; Laura Maire; Uve Teschner; Julian Mehne; Jeremias Koschorz und Lydia Herms sorgt dafür, dass die zahlreichen Figuren gut unterscheidbar sind und lebendig wirken.
Kritisch sehe ich allerdings das Ende: Es wirkte auf mich etwas überhastet und nicht vollständig stimmig – einige Fragen blieben offen, was mich leicht unbefriedigt zurückließ. Zudem hatte ich etwa eine Stunde vor Schluss eine klare Ahnung, wohin sich die Handlung entwickelt. Die Auflösung war für mich daher keine große Überraschung mehr – aber das mindert nicht die emotionale Wucht der Geschichte.
Fazit
Der dunkle Sommer ist ein atmosphärischer Roman mit Thriller-Elementen, der eine düstere Familiengeschichte mit realhistorischem Hintergrund und feministischer Tiefenschärfe verknüpft. Trotz kleiner Schwächen im Finale ein packender, nachdenklich stimmender Hörgenuss. 4,5 von 5 Sternen.